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Aktuelles aus der Diskussion zu der neuen Variante der Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung und die Sicherhe
Rottenburg, den 04. April 2011

PD Dr. med. Johannes Oldenburg

Zusammenfassung

In den letzten Monaten gab es verschiedene Pressemitteilungen zur Übertragung der neuen Variante der Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung (nVCJK) durch Blut und Blutprodukte. Wir möchten Ihnen daher den aktuellen Erkenntnisstand zusammenfassen.

 1.      Aufgrund tierexperimenteller Daten und zwei Fällen einer nVCJK-Erkrankung nach Bluttransfusionen beim Menschen ist es als praktisch gesichert anzusehen, dass nVCJK durch Bluttransfusionen grundsätzlich übertragbar ist.

2.      Dies betrifft Blutpräparationen, die aus Blutspenden zeitnah mit einfachen Trenntechniken hergestellt werden. Solche Präparate sind, wie in den beiden berichteten Fällen, Erythrozytenkonzentrate (rote Blutkörperchen), wahrscheinlich auch Thrombozytenkonzentrate (Blutplättchen) und möglicherweise auch gefrorenes Frischplasma.

3.      Aus Plasma hergestellte Gerinnungsfaktorenkonzentrate sind hiervon nach Meinung der Fachleute nicht betroffen, da durch die Aufreinigungs- und Virusinaktivierungsverfahren bei der Herstellung potentiell vorhandenes infektiöses Material so weit entfernt wird, dass kein Risiko einer Infektion mehr besteht.

4.      Verschiedene bereits getroffene und für 2005 geplante Maßnahmen (Entfernung der weißen Blutkörperchen, Spenderauswahl) sollen das Risiko einer potentiellen Belastung der Blutspenden mit infektiösem Agens weiter verringern.

5.      Eine absolute Sicherheit für aus Plasma hergestellte Gerinnungsfaktoren kann derzeit von niemandem garantiert werden, da bisher die Testverfahren zum Nachweis des infektiösen Agens nicht ausreichend sensitiv sind, die Inkubationszeit der nVCJK z.T. mehrere Jahrzehnte betragen kann und es weiterhin viele ungeklärte Fragen bei der nVCJK-Erkrankung und dem zugrundeliegenden infektiösen Agens gibt.

Im Folgenden möchten wir Ihnen die einzelnen Punkte gerne ausführlicher erläutern und hierbei auch das Wichtigste aus einem früheren Beitrag (IGH-Heft Dezember 2001) noch einmal kurz zusammenfassen.

Was ist BSE?

BSE ist die Abkürzung für bovine (beim Rind) spongiforme (schwammförmig) Enzephalopathie (Erkrankung des Gehirns). Die Erkrankung ist etwa 1980 zum ersten Mal aufgetreten, seit 1985 sind die BSE-Fälle in England sehr stark angestiegen mit einem Höhepunkt von über 30.000 Fällen jährlich in 1992 und 1993. Insgesamt sind seitdem über 180.000 Rinder erkrankt. Als Ursache hierfür wird die Verfütterung von infektiösen Risikomaterialien insbesondere Gehirn- und Nervengewebe von Wiederkäuern angenommen. Durch den Tierhandel wurde BSE in andere Länder Europas – auch nach Deutschland - hineingetragen.

Das infektiöse Agens ist ein Prion

Das infektiöse Agens ist kein Virus oder Bakterium sondern ein kleines Eiweiß (Protein), das als Prion (Kurzwort für Proteinartiges infektiöses Agens)-Eiweiß bezeichnet wird.  Seit diesem Jahr ist mit letzter Sicherheit bewiesen, dass ein solches Prion für die nVCJK-Erkrankung ursächlich ist. Die Arbeitsgruppe von Dr. Prusiner zeigte, dass ein synthetisch hergestelltes Prion in der Lage war, die Erkrankung herbeizuführen.

Unter bestimmten Bedingungen verändert sich dieses Eiweiß, das in seiner normalen Form bei jedem Menschen vorhanden ist, von einer normalen Schraubenstruktur in eine krankhafte Faltblattstruktur. Dies hat zwei Konsequenzen: 1.) In der Faltblattstruktur kann das Eiweiß nicht mehr in der Zelle abgebaut werden, 2.) und dies ist das infektiöse Prinzip, nehmen alle benachbarten schraubenförmigen Eiweiße die Faltblattstruktur an. Auf diese Weise kann sich die Faltblattstruktur nach dem Dominostein-Prinzip (einer stößt den nächsten an) ausbreiten. Da die Faltblattstruktur nicht abgebaut werden kann, wird sie in der Zelle angehäuft und führt schließlich zum Zelltod.

Eine wichtige Theorie ist, dass eine einzelne Faltblattstruktur möglicherweise gar nicht gefährlich ist. Erst wenn sich mehrere Faltblattstrukturen zu Aggregaten zusammengelagert haben, breiten sie sich aus und führen zum o. g. Zelltod.

Neue Variante der Creutzfeldt Jakob Erkrankung

Die neue Variante der Creutzfeldt Jakob Erkrankung ist beim Menschen erstmals 1995 in England festgestellt worden. Es ist eine Erkrankung des Gehirns, die innerhalb von 2 Jahren nach der klinischen Diagnose zum Tode führt. Überwiegend jüngere Menschen sind betroffen. Die Ursache für die Erkrankung, und hier ist man sich heute weitgehend sicher, ist der Genuss von Lebensmitteln, die infektiöses Rindermaterial (z. B. Rinderhirn) enthielten. Bisher sind 152 Menschen (Stand 5. Dez. 2004) an dieser neuen Variante der CJK erkrankt, wobei die jährliche Erkrankungsrate zuletzt rückläufig war. Bei der neuen Variante der Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung wird das infektiöse Eiweiß mit der Nahrung aufgenommen, befindet sich eine zeitlang im Blut – vor allem in den weißen Blutkörperchen - von wo aus es dann in Richtung Gehirn wandert, möglicherweise entlang der Gehirnnerven und sich dann im Gehirn ausbreitet. In bestimmten Organen, die viele weiße Blutkörperchen enthalten reichert es sich an, wie z. B. in den Gaumenmandeln, der Darmwand insbesondere dem Blinddarm und der Milz. Der Prozess der Ausbreitung bis ins Gehirn und bis zu den ersten klinischen Symptomen dauert zwischen 5 und 40 Jahren, je nachdem auf welche Situation das infektiöse Eiweiß in dem jeweiligen Organismus trifft. So weiß man inzwischen, dass in der Bevölkerung vorkommende individuelle genetische Variationen die Ausbreitung des infektiösen Eiweißes begünstigen oder auch hemmen können.

Alle bisher an nVCJK Erkrankten weisen an der Position 129 des Prion-Proteins ausschließlich den Eiweißbaustein Methionin auf. In der Normalbevölkerung zeigen dagegen nur etwa 40% aller Menschen diese Konstellation, während die übrigen 60% entweder zusätzlich oder ausschließlich den Eiweißbaustein Valin an dieser Stelle haben. Diese Daten deuten daraufhin, dass die Methionin-Variante offensichtlich  einfacher die oben beschriebene krankhafte Faltblattstruktur annimmt als die Valin-Variante. Ob Menschen mit der Valin-Variante überhaupt jemals erkranken oder lediglich eine längere Inkubationszeit aufweisen, ist bis heute nicht geklärt. Neueste Experimente mit transgenen Mäusen aus diesem Jahr haben gezeigt, dass zumindest ein Teil der Tiere mit der Valin-Variante erkrankte (Wadsworth et al., Science 2004). Diese zeigten aber ein anderes Krankheitsbild und es ist derzeit unklar, ob auch andere Formen der CJK in einem Zusammenhang mit BSE stehen. Aufgrund dieser verschiedenen genetischen Veranlagung für eine nVCJK-Erkrankung wird nicht ausgeschlossen, dass die nVCJK-Erkrankungsrate noch einmal deutlich ansteigen könnte.

Übertragung von nVCJK-auslösendes Prion durch Blut

In 2002 wurde bei Studien an Schafen ganz konkret nachgewiesen, dass Prione durch Bluttransfusion übertragbar sind. Zwei Fälle beim Menschen aus dem englischen Königreich, einer im Dezember 2003 und ein weiterer im Juli diesen Jahres  zeigen nun, dass dies auch beim Menschen sehr wahrscheinlich der Fall ist. Beide Patienten mit nVCJK erhielten eine Blutkonserve von Spendern bei denen später ebenfalls nVCJK festgestellt wurde. Der Zeitraum zwischen Bluttransfusion und Erkrankung bei den beiden Transfusionsempfängern lag bei etwa 5 Jahren.  Nach diesen beiden Fällen muss angenommen werden, dass durch Blutspenden das nVCJK-Agens übertragen werden kann, auch wenn der Spender selbst noch keine klinischen Zeichen einer nVCJK aufweist.

Warum ist die Übertragung von nVCJK durch Blut für Patienten mit Gerinnungsstörungen wichtig?

Patienten mit Gerinnungsstörungen haben oft eine große Zahl von ”Spenderkontakten”. Der Durchschnittspatient mit schwerer Hämophilie erhält etwa 10 Chargen/Jahr, jede hergestellt aus mehreren 10.000 Plasmaspendern, d. h. er hat Kontakt zu mehreren 100.000 Plasmaspendern/Jahr, dies sind in 10 Jahren mehrere Millionen Plasmaspenden. Angesichts dieser Zahl stellen auch sehr seltene Erreger wie Prionen für den Hämophilen ein beträchtliches Risiko dar, wenn die Erreger durch den Herstellungsprozess nicht vollständig entfernt oder inaktiviert werden.

 

Gibt es eine Übertragung von nVCJK-auslösenden Prionen durch aus Plasma hergestellte Gerinnungsfaktorenkonzentrate?

Bei Gerinnungskonzentraten wird das Übertragungsrisiko für nVCJK von den Fachleuten als sehr unwahrscheinlich angenommen. Zum einen ist die Konzentration des infektiösen Agens im Plasma vergleichsweise gering, darüber hinaus würde es je nach Größe des Pools verdünnt werden und schließlich durch den Herstellungsprozess (Fraktionierung, Aufreinigung, Virusinaktivierung) nochmals wenigstens 1000fach, bei den meisten Präparaten mehrere 100.000fach, abgereichert werden. Rein rechnerisch wird davon ausgegangen, dass bei einer belasteten Spende in einem Plasmapool nach dem Herstellungsprozess das Gerinnungsfaktorenkonzentrat keine infektiöse Dosis mehr enthält. Eine aktualisierte Stellungnahme des Arbeitskreis Blut, einem Gremium von Experten, und dem Robert-Koch-Institut (RKI) zur nVCJK wird derzeit erarbeitet und demnächst über die Internetseite des RKI (http://rki.de) abrufbar sein.

All dies sind theoretische Überlegungen.  Welche anderen Informationen gibt es? Bisher ist eine nVCJK bei keinem Hämophilie-Patienten festgestellt worden. Im englischen Königreich (UK) wurden in den 80iger und Anfang der 90iger Jahre, also in einer Region und einer Zeit mit vergleichsweise hohem nVCJK-Risiko alle Hämophilie-Patienten mit weniger hochgereinigten, im eigenen Land hergestellten Gerinnungskonzentraten behandelt. Die Tatsache, dass hier bisher keine nVCJK-Fälle aufgetreten sind, spricht eindeutig gegen eine Gefahr für die Übertragung von Prionen durch Gerinnungskonzentrate.

Was wurde bzw. wird getan für die Erhöhung der Prionen-Sicherheit von Blutplasma?

- Im Oktober 2001 wurde in Deutschland die Abreicherung der weißen Blutkörperchen (Leukozytendepletion) in Blutspenden angeordnet. Da es Hinweise gibt, dass der überwiegende Teil der Prionen-Infektiösität mit Leukozyten assoziiert ist, bedeutet dies einen Sicherheitsgewinn.

- Es wurde und wird kein aus UK stammendes Plasma für die Herstellung von Gerinnungskonzentraten verwendet.

- Personen die sich in der Zeit von 1980 bis 1996 mehr als 6 Monate in UK aufgehalten haben sind von der Blutspende ausgeschlossen.

- Ab April 2005 ist geplant, Transfusionsempfänger generell von der Blutspende auszuschließen.

Haben alle Gerinnungsfaktorenkonzentrate das gleiche theoretische Risiko (Sicherheitsreserve) bezüglich nVCJD?

Wie bereits dargestellt wird potentiell vorhandenes infektiöses Prion durch die Herstellungsverfahren von Gerinnungsfaktorenkonzentraten sehr stark abgereichert. Diese Herstellungsverfahren unterscheiden sich bei den verschiedenen Produkten. Es ist anzunehmen, dass hoch- und höchstgereinigte Konzentrate das infektiöse Eiweiß bei der Herstellung stärker abreichern und damit eine höhere Sicherheitsreserve aufweisen als weniger hochgereinigte Produkte. Eine größere Sicherheitsreserve ist ebenfalls anzunehmen bei den gentechnisch hergestellten Gerinnungsfaktorenkonzentraten, insbesondere solchen, die kein Albumin für die Stabilisierung der Gerinnungsfaktoren enthalten.

Bezüglich der generellen Herstellungsverfahren gibt es Angaben für das Ausmaß der Prion-Abreicherung. Hier können die Angaben von den Herstellern aber noch verbessert werden, in dem nicht nur für die Verfahren generell, sondern für den Herstellungsprozess jedes einzelnen Produktes die Kapazität für die Prion-Abreicherung belegt wird. Die Hersteller wurden zur Durchführung entsprechender Untersuchungen aufgefordert und sollten diese Zahlen baldmöglichst Behörden, Behandlern und Patienten zur Verfügung stellen. Eine kürzlich von der Interessengemeinschaft Hämophiler bei den Firmen durchgeführte Anfrage zeigte, dass diese Daten bisher noch nicht bei allen Gerinnungsfaktorkonzentraten vorliegen.

Welches Gerinnungskonzentrat soll ich verwenden?

Diese Frage kann Ihnen nur Ihr Behandlungszentrum beantworten, das Ihre klinischen Daten und Ihren Krankheitsverlauf kennt. Die Übertragung von nVCJK stellt ein theoretisches Risiko dar, während die Hämophilie-Behandlung mit ganz realen Risiken behaftet ist, wie Blutungen und Hemmkörperbildung. Die verschiedenen Präparate unterschieden sich in ihren Eigenschaften (Art des Gerinnungsfaktors, aus Plasma oder rekombinant hergestellt, ggf. zusätzlich enthaltene Faktoren z. B. von Willebrand-Faktor). Welches der Präparate für welchen Patienten in welcher Situation am besten geeignet ist, muss der behandelnde Arzt in Abstimmung mit dem Patient entscheiden.

Die Diskussion zum nVCJK-Risiko bei der Behandlung von Hämophilie-Patienten wird andauern

Viele Fragen zur nVCJK sind weiterhin ungelöst.  Angesichts der bisher noch fehlenden Testmöglichkeiten und der langen Inkubationszeit wird die Diskussion zur nVCJK die Hämophilie-Patienten noch einige Zeit begleiten. Informieren Sie sich regelmäßig bei den Sie behandelnden Ärzten. Die Interessengemeinschaft Hämophiler wird ebenfalls regelmäßig über aktuelle Ereignisse auf ihrer Internetseite www.igh.info und über Patientenrundschreiben berichten.

Kontakt:

PD Dr. med. Johannes Oldenburg

Institut für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie
DRK Blutspendedienst Baden Württemberg – Hessen
Sandhofstr. 1
60528 Frankfurt
Tel.: 069 6782 – 177
Fax: 069 6782 – 204
Email: joldenburg@bsdhessen.de

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