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Aktuelle Informationen zu Kogenate
Rottenburg, den 04. April 2011

Informationen zu den Lieferengpässen von Kogenate® Bayer

Dr. med. Th. Becker, Trier

Verursacht durch die reduzierte Lieferbarkeit von Kogenate® Bayer zwischen Dezember 2000 und März 2001 und den fast vollständigen Lieferstopp seit März 2001 kam es zu dem derzeitigen Versorgungsengpass mit Faktorenkonzentraten. Nach weltweiten heftigen Beschwerden u.a. seitens der IGH über die mangelhafte Informationspolitik der Firma Bayer lud diese im Juni 2001 zu mehreren Gesprächen mit Behandlern und Patientenverbänden ein.

Am 20.06.2001 kamen in den Räumen der IGH Frau Dr. Elke Kellermann (Projektleiterin Kogenate® Bayer) und Herr Dr. Wolfgang Seidel (Leitung Pharma Biologische Produkte) mit dem geschäftsführenden Vorstand der IGH zusammen.

Im folgenden werden die Ergebnisse des Treffens in Bonn und die weitere Entwicklung zusammengefasst.

Ursachen der Lieferverzögerung zwischen Dezember 2000 und März 2001

  1. Für die Verpackung des aus Amerika für ganz Europa gelieferten gentechnologisch hergestellten Faktors VIII war früher Tropon, eine Tochtergesellschaft von Bayer, zuständig. Tropon wurde 2000 verkauft und die Verpackung in ein neu erbautes Werk in Italien verlagert. Durch den Neuaufbau (Verpackung, zusätzliche Qualitätssicherung, Personalwechsel) kam es zu einer zeitlichen Verzögerung der Produktauslieferung.
  2. Im Dezember 2000 fand eine überprüfung durch die oberste Behörde für Medikamentenzulassung in den USA (FDA) im Werk Berkeley (USA) der Firma Bayer statt. Dabei seien, laut Bayer, geänderte Freigabeprozeduren gefordert worden, die zu einer weiteren Freigabeverzögerung führten.

    Dazu ein Beispiel: Wenn im Rahmen des komplexen Produktionsumfeldes ein vorher festgelegter Grenzwert überschritten wurde (z.B. eine Temperaturgrenze), führte dies früher zu Maßnahmen, den Grenzwert wieder einzuhalten. Die Freigabe der Chargen, die zu dem Zeitpunkt der Normabweichung produziert wurden, wurde jedoch nicht beeinflusst, da man davon ausging, dass die Endprüfungen ein einwandfreies Produkt garantierten.

    Bayer schlug der FDA vor die betroffenen Chargen noch weitgehender zu prüfen. Dadurch konnten diese erst verzögert freigegeben werden.

Ursachen des Lieferstopps im März 2001

Im Rahmen der überprüfungen fand sich im Frühjahr in einem Produktionsschritt im nicht sterilen Bereich eine höhere bakterielle Kontamination als aufgrund der Produktionsvorschriften zulässig (Kontamination bedeutet in diesem Fall, dass mehr Krankheitserreger nachweisen sind als zulässig). Es handelte sich hierbei um Wasser in einem Chromatographieraum, das auch sonst nicht steril (keimfrei) sein muss. Es handelte sich nicht um das Lösungsmittel von Kogenate® Bayer, wie in manchen Gerüchten verbreitet. Von diesem Vorfall wurde Europa am 15.03.2001 in Kenntnis gesetzt. Aufgrund der Kontamination und weiterer formaler Fehler (entsprechend denen von Dezember 2000) wurde von Bayer am 09.03.2001 ein Freigabestopp beschlossen.

Das Produkt, das von der bakteriellen Kontamination betroffen war, wurde wie alle Chargen anschließend steril filtriert (Maßnahme um das Endprodukt keimfrei zu machen). Die im folgenden routinemäßig angelegten Kulturen (Proben ob Krankheitserreger wachsen) und der Pyrogentest an Tieren (Probe ob Fieber erzeugende Substanzen entstanden sind) verliefen unauffällig. Eine zusätzliche zweite Prüfung mit identischen Tests (Kultur und Pyrogentest) in doppelter Anzahl von Proben verlief ebenfalls unauffällig. Aufgrund dieser Tests und dem weltweiten Fehlen von Infektionen durch die vorangehenden Chargen kam es im Mai 2001 zu einer begrenzten Freigabe von Chargen.

Im Verlauf des Kongresses der "International Society on Thrombosis and Haemostasis" vom 06.-12.07.2001 in Paris teilte Bayer mit, dass eine normale Lieferbarkeit inzwischen frühestens im 2. oder 3. Quartal 2002 für möglich gehalten wird, ohne dass dieser Termin garantiert werden kann. Bis dahin sei nur die Freigabe von einzelnen Chargen zu erwarten.

Bei wieder anlaufenden Lieferungen sei seitens Bayer Deutschland geplant, zunächst einen Lageraufbau für drei Monate durchzuführen, d.h. für eine ausgegebene Menge von Kogenate® Bayer die dreifache Menge einzulagern, um im Falle von erneuten Lieferverzögerungen eine Therapiesicherheit für 3 Monate zu gewährleisten. Dieses sicherlich auch prinzipiell sinnvolle Lager kann jedoch nicht für die weitere Zukunft garantiert werden.

Allgemeine Versorgungslage mit Faktor VIII Präparaten

  1. Die anderen Hersteller gentechnologischer Präparate können ihre Produktion derzeit nicht weiter ausweiten, da ihre Produktion bereits an den Kapazitätsgrenzen arbeitet. Die Anfang des Jahres noch bestehenden Lagerbestände sind in Erwartung eines kürzeren Lieferausfalls von Bayer inzwischen auch weitgehend aufgebraucht.
  2. Die Hersteller von Plasmapräparaten haben derzeit keine Lieferschwierigkeiten. Seit August 2001 besteht sogar bei einzelnen Herstellern eine bessere Lieferbarkeit, da aufgrund der gesetzlich vorgeschriebenen Quarantänelagerung erst dann die in Reaktion auf die Vorgänge bei Bayer erhöhten Produktionsmengen freigegeben werden konnten.

Aktuelles

Während des deutschen Hämophiliekongresses in Hamburg vom 9.-10.11.2002 erfuhren wir, dass inzwischen wieder mit der Auslieferung von kleinen Mengen Kogenate® Bayer 1000 begonnen wurde und mit der vollständigen Lieferbarkeit Mitte 2002 gerechnet wird. Laut Auskunft von Frau Dr. Kellermann (Projektleiterin Kogenate® Bayer) sei auch der Lageraufbau von drei Monaten eingeführt, um eine Therapiesicherheit für mindestens drei Monaten sicherstellen zu können.
Es bestehen derzeit jedoch noch Probleme mit der inzwischen von Bayer für Kogenate® Bayer vorgeschriebenen durchgehenden Kühlkette (d.h., das Konzentrat muss auch im Falle des Transports vom Hämophiliezentrum zum Patienten und auch dort bis zum Verbrauch durchgehend bei Temperaturen von 2-8°C gelagert werden), weshalb einzelne Hämophiliezentren (z.B. Bonn) die Verschreibung von Kogenate® Bayer noch nicht wieder aufgenommen haben.

Zusammenfassung

  1. Durch häufige Normwertüber- oder unterschreitungen im Produktionsprozess kam es durch Bayer zu den uns bekannten Lieferverzögerungen und Ausfällen. Hier hätte unseres Erachtens schon früher auf ein striktes Einhalten der Grenzen geachtet werden müssen, so dass die Forderungen der FDA keine Freigabeverzögerung bewirkt hätten.
  2. Aufgrund der Aussagen der Vertreter der Firma Bayer geht von den bisher ausgelieferten Chargen von Kogenate® Bayer keine Gefährdung für die Patienten aus.
  3. In Deutschland kam es seit Frühjahr 2001 zwar zu schwierigen Lieferverhältnissen, jedoch zumindest in Bonn nicht zu Einschränkungen in der Menge der Faktor VIII-Versorgung. Aufgrund der hier guten Versorgung mit Plasmapräparaten kam es nur zu Umstellungen von rekombinanten auf Plasmapräparate.

Zum Schluss noch einige gute Nachrichten:

Im Frühjahr 2002 und 2003 erwarten die Hersteller der beiden anderen gentechnologischen Präparate Wyeth und Baxter die Auslieferbarkeit von Präparaten aus neu aufgebauten Fabriken unter Beibehaltung der Produktion der derzeitigen Produktionsstandorte. Dadurch dürfte es dann zu einer wesentlichen Entspannung der Situation kommen.

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