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Patienteninformationstag 2008 der IGH in Bonn - Bad Godesberg
Rottenburg, den 04. April 2011
Der 5. Patienteninformationstag fand mit über 200 angemeldeten Teilnehmern vom 19.-20.04.2008 in der Stadthalle Bad Godesberg und in der Jugendherberge Bad Honnef statt. Im breit gefächerten Programm konnten alle Patientengruppen für sie interessante und wichtige Themen finden und sich über die neuesten Entwicklungen auf dem Gebiet der Hämophiliebehandlung informieren.

In seiner Begrüßungsansprache unterstrich Horst Naaß als Bürgermeister der Bundesstadt Bonn die Qualität der IGH-Patienteninformationstage und betonte die in den über 15 Jahren des Bestehens der IGH gewachsene Bedeutung dieser Patientenorganisation für Bonn.
Der wissenschaftliche Tagungsleiter der Veranstaltung, Herr Prof. Johannes Oldenburg, Direktor des Institutes für Experimentelle Hämatologie und Bluttransfusionsmedizin des Universitätsklinikums Bonn begrüßte die zahlreich erschienen Patienten, Familienangehörigen, Hausärzte und Physiotherapeuten und wünschte ihnen einen spannenden Tagungsverlauf. Bei den vortragenden Wissenschaftlern und den Repräsentanten der Krankenkassen und des Bundesministeriums für Gesundheit bedankte er sich für die Teilnahme und wünschte sich im Namen aller Teilnehmer der Veranstaltung spannende, informative Beiträge und eine rege Diskussion zu den einzelnen Themen.

Der erste von sieben Themenblöcken beschäftigte sich mit der Sicherung des Hämophiliestandards in der Zukunft unter Berücksichtigung des GKV: WSG (Gesetzliche Krankenversicherung: Wettbewerbstärkungsgesetz) und GB-A (Gemeinsamer Bundesausschuss).
Herr Dr. Goldmann vom Hämophiliezentrum in Bonn stellte aus der Sicht der Hämophiliebehandler und -behandlerinnen das vom gemeinsamen Bundesausschuss nach § 116b SGB V (Sozialgesetzbuch V) unter Beteiligung der Patientenverbände entwickelte Konzept der ambulanten Behandlung Hämophiler in Krankenhäusern vor. Wichtig hierbei ist die umfassende Versorgung durch verschiedene ärztliche Facharztgruppen unter der Leitung eines erfahrenen Hämostaseologen mit 24 stündiger Erreichbarkeit. Es wurde hier eine Mindestzahl von 40 behandelten (dauerbehandlungsbedürftige Menschen mit angeborenen Blutgerinnungsstörungen pro Jahr) Patienten festgelegt.

Herr Dr. Becker begründete aus der Sicht der Patienten die Notwendigkeit der Behandlung in großen Zentren aufgrund der vielen bekannt gewordenen Schilderungen von nicht dem Behandlungsstandard entsprechenden Vorgehensweisen. Er wies auch auf die organisatorischen Probleme hin, die eine Behandlung in Klein- und Kleinstbehandlungseinheiten für Patient und Arzt mit sich bringt. Die notwendige ausreichende finanzielle Versorgung der Behandlungszentren und die Notwendigkeit der Übernahme der Fahrtkosten durch Krankenkassen wurde angesprochen.

Prof. Dr. Schramm, Leiter des Hämophiliezentrums der Ludwig Maximilian Universität München, stellte die unter der Leitung von Prof. Dr. Oldenburg und ihm überarbeiteten Abschnitte der Leitlinien zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten vor. Wichtig und auch sehr aktuell ist die Erkenntnis, dass seit einer 2006 veröffentlichten amerikanischen Studie jetzt erstmals die prophylaktische Therapie der hämophilen Kinder als abgesicherte Behandlungsmethode gilt und nicht wie zuvor rein auf ärztlicher Erfahrung beruht.

Frau Hesse vom Paul-Ehrlich-Institut berichtete über die Entwicklung des Deutschen Hämophilieregisters bis zum derzeit stattfindenden ersten Probelauf in München. Das Hämophilieregister soll in Zukunft die anonymisierten Daten aller Hämophiliepatienten zusammentragen und damit die Möglichkeit zur Auswertung größerer Fallzahlen bieten. Der Datenschutz wurde hier in einem zweijährigen Prozess sicher gestaltet. In der anschließenden Podiumsdiskussion wurde auf die Wichtigkeit der Teilnahme durch Zentren und Patienten hingewiesen.

In dieser Diskussionsrunde, an der neben den Referenten des ersten Themenblocks auch die Herren Herzig von der AOK in Kiel, Dr. Klamroth vom Vivantes Klinikum in Berlin, Dr. Kurme als langjähriger Hämophiliebehandler aus Hamburg und Herr von Auer vom Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung in Bonn teilnahmen, wurde die bisher völlig unzureichende Umsetzung des § 116b (bisher wurden nur zwei „Zentren" in Schleswig-Holstein zugelassen, die die Mindestfallzahl von 40 Patienten bei weitem nicht erreichen und damit die Kriterien eines Comprehensive Care Centers nicht erfüllen) diskutiert.

Nach einer kurzen Kaffeepause berichtete Frau Dr. Niemann vom Hämophiliezentrum Bonn über Blutungs- und psychologische Probleme von Konduktorinnen (Übetrträgerinnen). Wichtig erscheint hier insbesondere, dass Konduktorinnen selbstverständlich einer spezialisierten Beratung durch erfahrene Hämophilie-Ärzte bedürfen, da sie aufgrund unterschiedlicher Faktor VIII Spiegel (auch innerhalb einer Familie können z.B. Mutter und Tochter völlig unterschiedliche Werte haben) eine differenzierte Behandlung und Betreuung im Fall einer Operation, einer Verletzung oder auch bei einer verstärkten Regelblutung bedürfen.

Anschließend wurden im Abschnitt Hämophilie und Sport die verschiedenen Ansatzpunkte eines therapeutischen oder diagnostischen Vorgehens mittels Sport vorgestellt. Dr. Kurme berichtete über das eher für junge Hämophile gedachte Projekt „Fit für Life", in dem über standardisierte Testungen die individuell möglichen Sportarten geklärt werden und ein individueller Trainingsplan ausgearbeitet wird. Frau Czepa vom Lehrstuhl für Sportmedizin in Jena stellte das Haemophilia & Exercise Project vor, in dem vor allem bei älteren Betroffenen die individuelle Erarbeitung von Trainingsplänen mit halbjährlicher Erfolgskontrolle in Trainingscamps im Vordergrund steht. Eine Verbesserung der Beweglichkeit konnte hierbei nachgewiesen werden. Das Projekt Watercise wurde von Herr Kalnins von der Deutschen Sporthochschule Köln vorgestellt. Hier handelt es sich um ein Übungsprogramm im Wasser, das sowohl für ältere als auch für jüngere Hämophile (kombiniert mit einem Tauchtraining) geeignet ist. Alle drei hoben die Wichtigkeit des Sports bzw. der körperlichen Aktivität für Hämophile hervor.

Das von Willebrand Jürgens Syndrom (vWS) wurde durch Herrn Dr. Klamroth vorgestellt. Die Einteilung in die verschiedenen Gruppen und die daraus resultierende unterschiedliche Behandlungsnotwendigkeit wurde ausführlich erläutert.

Im Themenblock „Orthopädische Probleme" stellte zunächst Dr. Berdel, Oberarzt der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie in Bonn, das neue Konzept der orthopädischen Sprechstunde für hämophile Patienten in Bonn vor. Diese findet in enger Kooperation von Hämophiliebehandlern und Orthopäden statt, da nur durch diese Zusammenarbeit der größtmögliche Nutzen für den Patienten erzielt werden kann.

Prof. Wirtz, Direktor der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie in Bonn, berichtete dann über die verschiedenen Möglichkeiten von endoprothetischer Versorgung insbesondere des Hüft-, Knie- und Sprunggelenks. Bei Endoprothesen handelt es sich um Implantate, welche dauerhaft im Körper verbleiben. Langzeitergebnisse zeigen, dass sich auch für hämophile Patienten die Gelenkssituation aufgrund der starken Weiterentwicklung im Gebiet der Endoprothesen deutlich verbessert hat. Ein Mindestalter für einen ersten dauerhaften Gelenksersatz kann heute nicht mehr angegeben werden.

Herr Vermöhlen, Oberarzt der Eifelhöhenklinik in Marmagen, stellte das Konzept der Rehabilitation nach orthopädischen Operationen vor. Ein wichtiges Kriterium bedeutet hierbei wie auch bei der Akutversorgung auf der engen Zusammenarbeit der Ärzte des Hämophiliezentrums und der Rehabilitationsklinik. Wichtig ist hier auch die Erfahrung der Klinik im Umgang mit den Kostenträgern, die die Behandlung finanzieren.

Prof. Spengler, Oberarzt der Medizinischen Klinik und Poliklinik I in Bonn, referierte über die Hepatitis C Erkrankung. Die Therapieerfolge haben sich in den letzten Jahren unter der Kombinationstherapie mit pegyliertem Interferon und Ribavirin deutlich verbessert. Eine weitere Steigerung der Erfolgsraten erscheint jedoch nur unter Kombination mit einer dritten Substanzgruppe möglich, die derzeit getestet wird. Versuche einer Kombination dieser neuen Medikamentengruppe mit nur einem Partner der bisherigen Therapie waren nicht erfolgreich, so dass für Patienten mit einer Unverträglichkeit gegenüber Interferon oder Ribavirin keine neuen Möglichkeiten bestehen.

Privatdozent Dr. Wasmuth von der Immunologischen Ambulanz der Medizinischen Klinik I in Bonn zeigte die Erfolge der derzeitigen HIV Therapie auf. Hierunter konnten die Todesfälle aufgrund der Aids- Erkrankung dramatisch reduziert werden, eine Heilung ist jedoch weiterhin nicht möglich. Die Nebenwirkungen der Therapie wie z.B. die Fettverteilungsstörungen und die Arteriosklerose stellen jedoch noch ungelöste Probleme dar.

Prof. Oldenburg blickte im Schlussvortrag in die Zukunft. Faktor VIII Präparate mit verlängerter Halbwertszeit befinden sich bereits im Studieneinsatz am Patienten und ermöglichen hoffentlich in Zukunft eine einmal wöchentliche Gabe des Faktorenkonzentrats. Eine Zulassung eines solchen Präparates wird in den nächsten Jahren erwartet. An anderen Applikationsformen wird seitens der Hersteller intensiv geforscht. Eine erfolgreiche Gentherapie wird frühestens in 10 Jahren erfolgreich am Patienten durchgeführt werden können.

Ein besonderer Dank galt zum Schluss der Veranstaltung dem langjährigen Oberarzt des Bonner Hämophiliezentrums, Herrn Dr. med. Brackmann, der die teilweise schwierigen Themen durch seine kurzweilige Moderation immer wieder erfrischte und auflockerte.

Neben diesen aktuellen und spannenden wissenschaftlichen Informationen gab es aber auch genügend Raum zur Entspannung. Die in den Vorträgen vorgestellten Sportprojekte „fit for life" und „Haemophilia & Exercise Project" konnten von den Besuchern der Veranstaltung praktisch getestet werden und wurden zahlreich in Anspruch genommen. Die vielen Fragen der Patienten zu den Gerinnungskonzentraten beantworteten Vertreter der Faktorenhersteller an den Informationsständen im Foyer der Stadthalle.

Für die kleinen Bluterpatienten fand der Regionalentscheid Bonn des Tischkickerturniers „Kick!IT" statt, als Ansporn war für die Gewinner der Besuch des Endturniers eine Woche später in Leverkusen mit Besuch des Bundesligaspiels von Bayer 04 Leverkusen ausgeschrieben. Offensichtlich hatten aber auch die Erwachsenen viel Spaß daran, ihre Fitness zu testen, Kickertische und auch die Sportgeräte bei der Veranstaltung „fit for life" waren gut besucht.

Damit die Erwachsenen sich ungestört auf die medizinischen Informationen konzentrieren konnten, stand für die Kinder eine von drei examinierten Erzieherinnen gut organisierte und durch ehrenamtliche Unterstützung von Mitarbeiterinnen des Bonner Hämophiliezentrums liebevoll unterstützte Kinderbetreuung mit zahlreichen Angeboten zur Verfügung. Höhepunkte der Kinderbetreuung waren zweifelsohne das Quiz „Hämophilie - Was ist das" mit den Bonner Hämophilieärztinnen Dr. Horneff und Dr. Vidovic sowie zum Abschluss das Puppenspiel „Däumelinchen" des Puppentheaters Bensberg.

Am Sonntag, den 20. April 2008 fand von 11.30 - 13.00 Uhr in der Jugendherberge Bad Honnef eine Gesprächsrunde zu den Themen des Patienteninformationstages statt. Interessierte Patienten und Mitglieder der IGH diskutierten mit einigen Referentinnen und Referenten des PIT offene Fragen des Vortages. Leider wurde die Zeit zum Schluss knapp, deshalb wurden die Gespräche während des Mittagsbuffets fortgeführt.

Zusammenfassend wurde der 5. Patienteninformationstag von allen Besuchern als informativ, interessant und spannend empfunden, die Gesamtdauer erschien einigen Teilnehmern jedoch als zu lang und auch zu anstrengend. Ein vielfach geäußerter Wunsch der Patienten ist eine schriftliche Zusammenfassung der wissenschaftlichen Vorträge. Die Fülle der Informationen, die eine solche Veranstaltung vermittelt, kann gedanklich oft nicht sofort verarbeitet werden, deshalb wäre eine Broschüre mit den Texten und einigen Dias hilfreich.

Ein großer Dank muss allen Helferinnen und Helfern von der IGH und dem Bonner Hämophiliezentrum ausgesprochen werden, die im Hintergrund für einen reibungslosen Ablauf des Patienteninformationstages gesorgt haben und ohne deren Hilfe eine Veranstaltung dieser Größenordnung nicht durchführbar wäre.
Besonders erwähnt werden soll aber auch, dass ausnahmslos alle Vortragenden des 5. PIT die Einladungen zu den Referaten spontan angenommen haben, unentgeltlich zur Verfügung standen und hierfür teils weite Anfahrtswege in Kauf genommen haben, um den Patienten und ihren Angehörigen die neuesten Erkenntnisse zur Hämophiliebehandlung weitergeben zu können.

Die beiden Fotografen Dr. Gereon Broil und Ramona Eisenreich haben viele schöne Momentaufnahmen und Eindrücke des PIT festgehalten, diese wurden von dem Vorstandskollegen Dr. Broil bearbeitet und zu einer Fotoshow auf CD festgehalten. IGH-Mitgliedererhalten die CD kostenlos, alle anderen Interessierten gegen eine Spende an die IGH in Höhe von Euro 5,00 zuzüglich Porto (Euro 1,45). Die Geschenke-CD kann über die Bundesgeschäftsstelle in Bonn angefordert werden.

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