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Erblicher Faktor-XIII-Mangel - eine Gerinnungsstörung, die mehr Aufmerksamkeit verdient
Rottenburg, den 20. April 2010

Aktuelles vom Welthämophilietag 2010 in Bonn

Bonn (19. April 2010). Der angeborene Mangel an Faktor XIII ist eine Erkrankung mit erhöhter Blutungsneigung, die insbesondere in ihrer häufigeren milden Erscheinungsform aufgrund der vielfältigen und oft unspezifischen Symptomatik in der Praxis zu wenig Beachtung findet. Die Behandlung besteht in der Substitution von Faktor-XIII-Konzentraten. Als neue Therapieoption wird derzeit das erste rekombinante Präparat in einer Phase-III-Studie klinisch geprüft. Unter dem Motto „The many Faces of Bleeding Disorders“ veranstaltete das Hämophilie-Zentrum Bonn unter der Leitung von Professor Oldenburg anlässlich des Welthämophilietages 2010 einen Fachpresseworkshop, um über Krankheitsbild und Behandlung des Faktor-XIII-Mangels aufzuklären.

Faktor XIII: Gerinnungsfaktor mit vielfältigen Funktionen

Als letztes Glied in der Gerinnungskaskade katalysiert der Gerinnungsfaktor XIII (FXIII) nach Aktivierung durch Thrombin und Kalzium-Ionen die Quervernetzung der Fibrinmoleküle und damit die Stabilisierung des Fibringerinnsels. Wie Prof. Johannes Oldenburg (Bonn) erläuterte, wird FXIII deshalb auch als fibrinstabilisierender Faktor bezeichnet. Darüber hinaus hat der FXIII eine Reihe weiterer bedeutsamer biologischer Funktionen wie etwa die Förderung der Wundheilung oder die Erhaltung der Schwangerschaft. Bei reduzierter FXIII-Aktivität erfolgt keine ausreichende Quervernetzung. Infolgedessen kann das Fibringerinnsel nicht genügend stabilisiert werden. Klinisch manifestiert sich dies häufig als Blutung innerhalb von 12 bis 48 Stunden nach einem Trauma. Das Blutungsrisiko korreliert dabei mit dem Ausmaß der Verminderung der FXIII-Aktivität. Der Faktor-XIII-Mangel kann sowohl angeboren als auch erworben sein.

Unterschiedlich schwere und vielgestaltige Manifestationsformen

Mit einer Häufigkeit von 1:4 Millionen handelt es sich beim schweren, homozygoten FXIII-Mangel um eine sehr seltene, autosomal-rezessiv vererbte Gerinnungsstörung. Erste klinische Anzeichen sind oft Nabelschnurblutungen bis zu einigen Tagen nach der Geburt. Ohne FXIII-Substitutionstherapie leiden fast alle Patienten mit schwerem FXIII-Mangel unter spontanen Blutungen und verstärkten Blutungen nach operativen Eingriffen und kleineren Verletzungen. Dazu zählen Muskel- und Gelenkblutungen, aber auch lebensbedrohliche Gehirnblutungen. Charakteristisch ist auch eine ausgeprägte Hämatomneigung. Zudem ist häufig die Wundheilung gestört. Bei betroffenen Schwangeren ist das Abortrisiko erhöht. Im Gegensatz dazu sind heterozygote FXIII-Mangel-Patienten bei einer FXIII-Restaktivität von 40 – 65 % zumeist asymptomatisch oder weisen nur milde Symptome auf, wie etwa leicht erhöhte Blutungsneigung (z. B. bei einem operativen Eingriff oder einer Zahnextraktion). Oft ist die Symptomatik auch eher unspezifisch. Dazu zählen beispielsweise Probleme des Schwangerschaftseintritts oder Narbenbildung bei Verletzungen. Daher wird die Erkrankung bei diesen Patienten häufig nicht erkannt. Allerdings ist die Inzidenz dieser heterozygoten Erscheinungsform wesentlich höher und wird laut Oldenburg auf ca. 1:1.000 geschätzt. Dies entspräche etwa 80.000 betroffenen Patienten in Deutschland.

Wie vielgestaltig Krankheitsbild und -geschichte des FXIII-Mangels sein können, wurde von zwei Patientinnen, die am Bonner Hämophilie-Zentrum behandelt werden, aus ihrer Sicht eindrucksvoll geschildert. Bei einer 24-Jährigen ist seit dem frühen Kindesalter ein schwerer homozygoter FXIII-Mangel bekannt. Damit gehört sie zu den nur etwa 20 – 40 Personen in Deutschland, die an dieser sehr seltenen Erscheinungsform leiden. Bei einer weiteren 36-jährigen heterozygoten Patientin, die keine klassische Symptomatik aufwies, wurde der FXIII-Mangel eher zufällig entdeckt. Ihre jahrelangen wiederholten Versuche, schwanger zu werden, waren erst nach einer FXIII-Substitution erfolgreich.

Milde Erscheinungsform häufig unentdeckt

Angesichts der oft unspezifischen Symptomatik bei den heterozygoten Merkmalsträgern wird der milde FXIII-Mangel häufig nicht erkannt. Dazu trägt auch bei, dass der Defekt mittels der Routine-Gerinnungsparameter partielle Thromboplastinzeit (PTT) oder Thromboplastinzeit (TPZ; Quick) nicht erfasst wird. Er kann am besten durch Bestimmung des FXIII-Plasmaspiegels diagnostiziert werden. Wäre die „Awareness“ für die mögliche Ursache eines heterozygoten milden FXIII-Mangels größer, würden mehr dieser Patienten diagnostiziert und einer entsprechenden Therapie zugeführt werden. Zu der geringen Diagnoserate trägt laut Oldenburg auch bei, dass immer noch die Lehrmeinung vertreten wird, eine FXIII-Aktivität von 10 % sei ausreichend. Vor kurzem veröffentlichte Arbeiten zu den milden Formen des FXIII-Mangels widersprechen dem jedoch eindeutig. Eine Rolle spielt hierbei auch, dass der FXIII-Komplex ein Tetramer aus vier Untereinheiten ist, und bereits eine defekte Untereinheit ausreicht, um die Funktion des Gesamtkomplexes zu beeinträchtigen. Laut Oldenburg gibt es beim FXIII-Mangel noch viele ungeklärte Aspekte. Wichtig sei es ihm zufolge, die Wahrnehmung für dieses Krankheitsbild zu verbessern. Er forderte daher mehr Aufmerksamkeit, damit diese Erscheinungsform als mögliche Ursache auch bei unspezifischen Symptomen in Betracht gezogen wird, um die Betroffenen frühzeitig zu diagnostizieren und einer adäquaten Therapie zuführen zu können.

Erste rekombinante Therapieoption in klinischer Phase-III-Studie

Die Therapie besteht in der Regel in der Substitution von FXIII-Konzentraten. Zur Behandlung akuter Blutungen und zur Prophylaxe von Blutungen in Zusammenhang mit operativen Eingriffen oder bei einer Schwangerschaft ist eine am Bedarf orientierte FXIII-Gabe indiziert. Eine Dauersubstitution ist nur selten bzw. bei schwerer Ausprägung erforderlich. Aufgrund der relativ langen Halbwertszeit von FXIII von etwa neun Tagen ist dabei ein langes Dosierungsintervall von etwa vier Wochen ausreichend. Wie Dr. Peter Ramge (Global Product Manager, Novo Nordisk Health Care AG, Zürich) berichtete, befindet sich ein rekombinantes FXIII-Präparat von Novo Nordisk bereits im Endstadium der klinischen Prüfung. Für die im August 2008 begonnene Phase-III-Studie findet Mitte April 2010 die abschließende Untersuchung des zuletzt eingeschlossenen Studienteilnehmers statt. Ziel ist es, mit dem neuen Präparat die erste rekombinante Therapieoption für Patienten mit kongenitalem Faktor-XIII-Mangel zur Verfügung stellen zu können. Beim rekombinanten FXIII (rFXIII) handelt es sich „nur“ um die A-Untereinheit des FXIII-Komplexes. Wie der natürliche soll auch rFXIII in erster Linie eine Verbesserung von Festigkeit und Beständigkeit des Fibringerinnsels im Rahmen der Hämostase bewirken. Darüber hinaus hat FXIII weitere wichtige physiologische Funktionen, z. B. in der Wundheilung. Das rFXIII-Präparat soll sich mit seinen Eigenschaften nahtlos in die Reihe von rekombinanten Produkten einreihen: Bei gleicher therapeutischer Wirksamkeit wie plasmatische Faktorenkonzentrate zeigen sie keine erhöhte Immunogenität und umgehen potentielle Sicherheitsrisiken, die mit transfusionsassoziierten Infektionserregern bei plasmatischen Produkten verbunden sein können. Rekombinante Proteine bieten zudem den Vorteil, unabhängig von der Verfügbarkeit des Ausgangsmaterials zu sein. Nicht zuletzt soll die Anwendung von rFXIII für den Patienten komfortabel sein: Entwicklungsziele sind ein geringes Volumen und eine kurze Injektionszeit. Zudem ist eine relativ lange Halbwertszeit von rFXIII von 7 – 10 Tagen gewünscht, sodass eine Applikation in großen zeitlichen Abständen möglich wird.

Laut Ramge sprechen die bisherigen klinischen Daten für eine Gabe im Abstand von 4 Wochen.

Engagement für Patienten mit Gerinnungsstörungen

Wie Ramge erläuterte, sind die Forschungsaktivitäten von Novo Nordisk darauf ausgerichtet, die Lebensbedingungen von Patienten mit Blutgerinnungsstörungen zu verbessern. Dabei engagiert sich das Unternehmen in besonderem Maße für Patienten mit Hämophilie. 1996 stellte es mit dem rekombinanten aktivierten Faktor VII (rFVIIa) NovoSeven® einen gentechnisch hergestellten Gerinnungsfaktor zur Verfügung. NovoSeven® ist unter anderem zugelassen zur Behandlung von Blutungen und zur Prophylaxe von Blutungen im Zusammenhang mit chirurgischen oder invasiven Eingriffen bei Patienten mit angeborener Hämophilie A oder B mit Hemmkörpern gegen Blutgerinnungsfaktoren VIII oder IX > 5 Bethesda-Einheiten (BE).1 Seitdem wird kontinuierlich an weiteren Verbesserungen der Therapieoptionen für Hämophilie-Patienten gearbeitet. Neben dem kurz vor der Zulassung stehenden rekombinanten FXIII-Präparat sind weitere rekombinante FVIIa, FVIII- und FIX-Präparate in der Entwicklung.

Quellen:

Fachpresseworkshop „The Many Faces of Bleeding Disorders“, anlässlich des Welthämophilietages (17. April 2010) am 19. April 2010 im Hämophilie-Zentrum Bonn; Veranstalter: Hämophilie-Zentrum Bonn; mit freundlicher Unterstützung der Novo Nordisk Pharma GmbH 

1. NovoSeven® Fachinformation, Stand Mai 2009

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