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Welthämophilietag 2009 Interdisziplinäre Betreuung ist der Schlüssel für eine erfolgreiche Behandlung der Hämophilie
Rottenburg, den 17. April 2009
Bonn (17. April 2009). Die Behandlungsmöglichkeiten und damit die Lebens-qualität von Hämophilie-Patienten haben sich in den letzten Jahrzehnten zunehmend verbessert, sodass diese heute ein weitgehend normales Leben mit durchschnittlicher Lebenserwartung führen können. Dazu hat sowohl die prophylaktische Behandlung mit Gerinnungsfaktorkonzentraten als auch eine spezialisierte interdisziplinäre Betreuung dieser Patienten wesentlich beigetragen, wie sie auch am Hämophilie-Zentrum in Bonn seit vielen Jahren selbstverständlich ist. So werden etwa für die Hämophilie typische blutungs-bedingte Gelenkkomplikationen durch ein Team aus Hämostaseologen und orthopädischen Chirurgen gemeinsam behandelt. Unter dem Motto „Together we care!" berichteten Experten dieser Fachrichtungen über ihre Erfahrungen auf einer von Novo Nordisk unterstützten Fachpressekonferenz anlässlich des Welthämophilietages, der am 17. April dieses Jahres bereits zum 20. Mal stattfindet. 

Mit der Einführung der ärztlich kontrollierten Selbstbehandlung von Hämophilie-Patienten konnte auch das Prinzip der prophylaktischen, d. h. blutungsvor-beugenden Behandlung mit Gerinnungsfaktorkonzentraten bei Kindern und Erwachsenen verwirklicht werden, wie der Leiter des Bonner HämophilieZentrums, Prof. Dr. Johannes Oldenburg berichtete. Dieses Vorgehen ermöglicht den betroffenen Kindern heute ein Aufwachsen ohne Gelenkveränderungen, wie sie früher für Hämophilie-Patienten charakteristisch waren und zu erheblichen, mit dem Alter zunehmenden Einschränkungen der Mobilität führten. Dank der Fortschritte in der modernen Hämophilietherapie sind die Patienten heute in der Lage, sogar sportliche Aktivitäten ohne größere Verletzungsrisiken zu betreiben. Auch Erwachsene erlangen durch die Prophylaxe trotz zum Teil schwerster Gelenkveränderungen eine akzeptable Lebensqualität.

Interdisziplinäre Behandlung essenziell
„Die interdisziplinäre Behandlung der Hämophilie insbesondere durch Orthopäden, aber auch Kinderärzte, Internisten, Genetiker und andere Fachrichtungen ist der Schlüssel dafür, dass der Hämophilie-Patient trotz seiner grundsätzlich schweren Erkrankung von der Geburt bis ins hohe Lebensalter weitgehend ein aktives und normales Leben mit einer normalen Lebenserwartung führen kann", so Oldenburg. Insbesondere die Mitbehandlung durch die Orthopädie ist ein essenzieller Bestandteil der Betreuung hämophiler Patienten. Denn bleibende Blutungsfolgen manifestieren sich überwiegend an den Gelenken, und einmal eingetretene Gelenkveränderungen begleiten den Patienten lebenslang. Sie erhöhen das Risiko für erneute Blutungen und führen damit zu einem Teufelskreis von sich verstärkenden Blutungen und Gelenkveränderungen. Dieser Prozess kann heute durch die prophylaktische Gabe von Gerinnungsfaktorkonzentraten in Verbindung mit einem guten Muskelaufbautraining verhindert werden. Erst die Zusammenführung der Gerinnungstherapie und der Orthopädie ermöglicht somit eine optimale und langfristig erfolgreiche Behandlung von Hämophilie-Patienten.

Blutungsbedingte Gelenkschäden frühzeitig erkennen und behandeln
Bei Hämophilie-Patienten sind die Blutungen in etwa 85 % der Fälle in Gelenken lokalisiert, wie Prof. Dieter Christian Wirtz (Bonn) erläuterte. Die am häufigsten betroffenen, sogenannten „Zielgelenke" sind Knie-, Sprung- und Ellbogengelenk. Rezidivierende Blutungen können schwere Gelenkveränderungen verursachen, die häufig zu einer sekundären Arthrose mit fortschreitenden Fehlstellungen und Gelenkversteifungen führen. Die Folgen sind letztlich weitreichende Ein-schränkungen der Mobilität und der Lebensqualität.
Wie Dr. Axel Seuser (Bonn) erläuterte, ist es bei hämophilen Kindern besonders wichtig, Funktionseinschränkungen am Bewegungsapparat möglichst frühzeitig, am besten vor Eintreten von strukturellen Störungen an den Gelenken zu erkennen. Eine dafür geeignete sensitive Funktionsdiagnostik ist ein auf Ultraschalltechnik beruhendes Bewegungsanalyseverfahren. Der Orthopäde berichtete über die Ergebnisse einer prospektiven Multizenterstudie, in der Bewegungsabläufe am Beispiel des Kniegelenkes bei hämophilen Kindern und einer Vergleichsgruppe im Alter von 3 bis 18 Jahren ausgewertet wurden. Allgemein ist die motorische Entwicklung sowohl bei hämophilen als auch bei gesunden Kindern altersabhängig, wobei große individuelle Unterschiede bestehen. Im Vergleich zu gesunden Kindern haben hämophile Kinder vor allem in jüngerem Lebensalter ein deutliches motorisches Defizit. Die Ursache dafür ist bislang noch nicht geklärt. Es zeigte sich zudem, dass die Bewegungsmuster selbst durch kleinste Blutungen gestört werden können. Dies führt zu einer Mehrbelastung des Bewegungsapparates. Allerdings sind die Funktionsstörungen relativ gut behandelbar: Durch gezieltes krankengymnastisches und bewegungstherapeutisches Training können die jeweiligen Bewegungsstörungen wieder beseitigt werden. „Dadurch kommt es zu einer Minimierung der Gelenkbelastung, und das Risiko von erneuten Blutungen ist dadurch ebenfalls gesenkt," so Seuser

Zunehmende Bedeutung chirurgischer Eingriffe
Fachpressekonferenz anl. Welthämophilietag 2009Laut Oldenburg können bei vielen Patienten trotz lebenslanger Prophylaxe spätere Gelenkveränderungen nicht sicher verhindert werden. Dies zeigen Auswertungen einer Gruppe von 50 Patienten des Bonner Hämophilie-Zentrums, die seit 30 Jahren eine prophylaktische Behandlung mit Faktor-VIII-Konzentraten erhalten. Nach dieser Zeit weisen nur noch 10 % der Patienten keinerlei Veränderungen der Gelenke auf, wie der Hämostaseologe berichtete.
Vor dem Hintergrund, dass Hämophilie-Patienten heutzutage ein normales Lebensalter erreichen, gewinnen deshalb auch operative Verfahren einen zunehmenden Stellenwert. Selbst größere chirurgische Eingriffe wie die Implantation eines künstlichen Gelenkersatzes sind bei manifester Arthropathie eine bedeutende Therapieoption, um den Patienten bis ins hohe Alter eine gute Mobilität und damit auch Lebensqualität zu erhalten. Wie Oldenburg erläuterte, wurden derartige chirurgische Eingriffe bei Hämophilie-Patienten erst durch die Verfügbarkeit moderner Gerinnungsfaktorpräparate ermöglicht. Dies gilt heute auch für Hämophilie-Patienten, die inaktivierende Antikörper (sog. Hemmkörper) gegen die substituierten Gerinnungsfaktoren entwickeln: Sie können zur Prophylaxe von Blutungen in Zusammenhang mit chirurgischen oder invasiven Eingriffen mit sogenannten Bypass-Produkten wie rekombinantem aktiviertem Faktor VII (NovoSeven®) oder aktiviertem Prothrombinkomplex (FEIBA) behandelt werden.

 

Gelenkersatz: Therapieoption auch bei hämophiler Arthropathie
Laut Wirtz zählt die Implantation von Endoprothesen auch in der Therapie hämophiler Arthropathien heutzutage zu den häufigsten und erfolgreichsten Routineeingriffen der orthopädischen Chirurgie. Durch ständige Verbesserungen der Implantatmaterialien und der operativen Techniken können heute sehr gute Langzeitergebnisse erzielt werden, wobei die Langzeitüberlebensrate der Prothesen maßgeblich durch den Verschleiß der artikulierenden Gelenkanteile bestimmt wird. „Dank dieser Fortschritte kann die Indikation zum künstlichen Gelenkersatz heute bereits frühzeitig und nicht erst bei ausgeprägten Gelenk-kontrakturen, ausgeprägter Muskelatrophie und/oder erheblichen Achsfehl-stellungen gestellt werden, welche denkbar ungünstige Voraussetzungen für ein gutes Langzeitergebnis und eine zufriedenstellende postoperative Rehabilitation darstellen", so der Chirurg. Daher können auch immer jüngere Hämophilie-Patienten mit Arthropathie von dieser Behandlungsmöglichkeit profitieren.
Wie schwer und komplikationsreich der Krankheits- und Behandlungsverlauf von Gelenkveränderungen bei Hämophilie sein kann, demonstrierte Dr. Philipp Berdel (Bonn) am Beispiel eines 53-jährigen Patienten, der am Bonner Hämophilie-Zentrum betreut wird. Nachdem dieser Patient wegen einer Kniegelenksarthrose mit einer Knieoberflächenersatzprothese versorgt worden war, entwickelte er in den Folgemonaten mehrfach Komplikationen wie Blutungen und Frakturen, die wiederholt operativ behandelt werden mussten, wobei große Mengen an Gerinnungsfaktorkonzentraten notwendig waren. Der Fall zeigt, wie wichtig ein effektives Gerinnungsmanagement und eine reibungslose fachübergreifende Zusammenarbeit sind, um Patienten mit solch schwerem Verlauf adäquat behandeln zu können.

Der Geschäftsführer der Patientenorganisation Interessengemeinschaft Hämophiler e.V. (IGH) betonte die Notwendigkeit einer Behandlung von hämophilen Patienten in zertifizierten und qualifizierten Hämophiliezentren. Schelle betonte, dass nur in Zentren mit einer interdisziplinären Anbindung Patienten wie im vorgestellten Fall erfolgreich und ohne langanhaltende Komplikationen operiert und deren Lebensqualität deutlich verbessert werden könne. Schelle: „Die zentrale Forderung der IGH lautet: Weg von niedergelassenen Praxen hin zu Spezialambulanzen mit langjährig erfahrenen Hämostaseologen und den angebundenen Fachbereichen. Nur hier könne eine optimale Versorgung des Krankheitsbildes Hämophilie angeboten werden."

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