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Port oder nicht Port? Eine schwierige Entscheidung!
Rottenburg, den 04. April 2011
Die Diskussion rund um den Einsatz eines Ports für die Behandlung hämophiler Kleinstkinder ist stets ein aktuelles Thema. Es gibt immer wieder Situationen, in denen die Punktion über die Venen aufgrund unterschiedlicher Komplikationen nur sehr erschwert möglich ist.

So werden beispielsweise bei einer laufenden Hemmkörpertherapie die Venen wegen der zum Teil 2mal täglich notwendigen Dauersubstitution arg strapaziert. Dieses häufige Spritzen kann zu einer starken, dauerhaft psychischen Belastung für das Kind, als auch für die Eltern, die ja ihr Kind im Rahmen einer Heimselbstbehandlung den Faktor spritzen sollen, werden. Ein Port kann hier eine Entlastung sein, da er die Substitution ohne die Venen zu strapazieren, ermöglicht. Jedoch wird paradoxerweise von ärztlicher Seite gerade bei einer Hemmkörpertherapie nur ungern der Port verwendet. Als Grund wird angeführt, dass das potentielle Risiko einer Infektion des Ports den Erfolg einer solchen Therapie gefährden kann , wenn nicht sogar völlig außer Reichweite geraten läßt. Damit wäre ja der eigentliche Sinn und Zweck der Benutzung dieses Hilfsmittels hinfällig. Nicht zu vernachlässigen ist ferner der Aspekt, das es sich bei der Implantation des Ports um einen operativen Eingriff unter Vollnarkose, mit den damit verbundenen üblichen Risiken handelt.In diesem Fall sitzen also Behandler und Patient gleichermaßen in einer Zwickmühle und der Ausweg aus einer Zwickmühle besteht darin, die „Regeln“ zu brechen.Beim Auftreten von Hemmkörpern bei Säuglingen und kleinen Kindern wird z.B. der Beginn der Hemmkörpertherapie mit Hilfe geeigneter Präparate solange hinausgezögert, bis eine Hochdosierung mit dem entsprechenden Faktor via Venen erfolgversprechend ist. Eine zweite Möglichkeit ist die Benutzung eines Ports, um direkt mit der Behandlung beginnen zu können. Hier hilft vielleicht ein positiver Erfahrungsbericht und eine detaillierte Beschreibung bei der Vorgehensweise zur erfolgreichen Nutzung dieses Instruments über mehrere Jahre hinweg.

Das Leben mit dem Port - unser Erfahrungsbericht

Unser Sohn Joshua leidet an Hämophilie A, schwere Verlaufsform und verfügt über einen implantierten Port. Wir nutzen glücklicherweise schon seit vielen Monaten nahezu ausschließlich die Venen im Rahmen der Heimselbstbehandlung zur täglichen Gabe von Faktor VIII. Der Leser mag sich fragen warum der Port überhaupt eingesetzt wurde. Nun, dies alles detailliert zu erläutern, würden den Rahmen dieses Berichtes sicher sprengen, daher werde ich mich möglichst kurz fassen.Mit dem Befund „Hämophilie“ in den Händen haben wir uns kurz entschlossen für das uns angebotene Erlernen der Heimselbstbehandlung entschieden. Aber schon kurz nach Beginn erhielten wir den nächsten Befund, die Bildung eines Hemmkörpers. Nun sollte die Substitution zweimal täglich durch unsere Kinderärzte und nicht durch uns erfolgen. Jedoch haben wir uns aus organisatorischen Gründen seitens unserer Kinderärzte und in Absprache mit unserem Behandler zunächst auf eine einmal tägliche Gabe von Faktor VIII beschränkt. Zu einer Punktion der Armvenen im Sitzen auf dem Schoß, wie in Bonn praktiziert, sahen sich Joshuas Kinderärzte jedoch nicht im Stande. Sie zogen die Kopfvenen vor. Hierzu wurde Joshua in eine Decke gewickelt und von der Assistentin auf der Bank fixiert, das reinste Fiasko. Dieses Erlebnis war vor allem für Joshua traumatisch.Hiernach kämpften wir mit Unterstützung der Ärzte und Hämophilieassistentinnen in Bonn über viele Monate hinweg dafür, dass Joshua einmal pro Tag über die Vene seinen Faktor VIII erhielt bzw. wir sogar selbst in der Lage waren, den Faktor zu verabreichen. Doch Joshua verstand oder akzeptierte die Notwendigkeit dieser Maßnahme einfach nicht bzw. nicht in solch einem Maße, wie es viele gleichaltrige hämophile Kinder tun. Ein Zufallsbefund - bei einer MRT Untersuchung wurde ein winziges Blutgerinnsel im Gehirn entdeckt - sowie eine weitere Kopfverletzung machten nun die zweimal tägliche Gabe - jeweils morgens und abends - von Faktor VIII unabdingbar. Der Hemmkörper vernichtete den einmal morgens verabreichten Faktor einfach zu schnell, die Gefahr, die Blutung nicht zum Stillstand zu bekommen, war daher zu groß. Zwar gab es eine Alternative, die kombinierte Gabe von Faktor VIII und Feiba. Feiba muß aber wesentlich langsamer injiziert werden als Faktor VIII und es kann außerdem auch Reizungen und Entzündungen der Vene kommen. Uns erschien dies als ein noch engerer Flaschenhals unserer Möglichkeiten der Heimselbstbehandlung zu sein.Der tägliche Kampf, Joshua über die Armvenen – davon waren zwei geeignet– zu versorgen, hatte zwei Schauplätze, einer morgens und einer abends. Nun, abends war sicher der Schwierigste, denn Joshua war oft müde wenn ich nach Hause kam um ihn zu spritzen. Es waren ja immer zwei Personen erforderlich. Einer musste Joshua auf dem Schoß festhalten und der andere konnte ihn dann spritzen.Es kam wie es kommen musste, Joshua sollte wieder einmal abends gespritzt werden aber es wollte auch nach mehreren Versuchen einfach nicht gelingen. Nach einer Tortur in der Kinderklinik in Köln, wo wieder die Kopfvene herhalten mußte - jedoch bestand ich diesmal darauf, dass dies im Sitzen erfolgte, wobei ich Joshua festhielt – stand fest, dass wir einfach nicht mehr die psychische Kraft besaßen, weiterhin zweimal täglich Joshua über die Armvenen zu versorgen. Nach einem intensiven Beratungsgespräch mit dem Behandler, wo uns auch die Risiken nochmals vor Augen geführt wurden, beschlossen wir, dass Joshua einen Port erhalten sollte.Nach erfolgreicher Operation in der o­nkologischen Abteilung der Kinderklinik in Bonn wurden wir in die Nutzung des Ports durch die Ärzte eingewiesen. Mit einer Videokamera habe ich die einzelnen Schritte, sowie die Erläuterungen des Arztes zur Vorgehensweise bei der ersten Punktion von Joshua`s Port, festgehalten. Anhand dieser Aufnahmen war ich somit in der Lage mir alle Schritte vor der Punktion nochmals ins Gedächtnis zu rufen und diesen Film dann gewissermaßen in der Realität ablaufen zu lassen. Diese Aufnahmen, die wir uns immer und immer wieder, auch noch nach Wochen, anschauen konnten, um selbstkritisch zu überprüfen, ob wir alles genauso machten, wie es der Arzt uns gezeigt hat, gaben uns enorme Sicherheit. Ich hatte so eine Konserve ärztlichen Wissens und Handelns geschaffen, welche wir noch heute erfolgreich benutzen. Dies war auch sehr hilfreich, als meine Frau die Punktion erlernen sollte. Wir mußten uns nur den Film anschauen und so gab es nie eine Diskussion, wie was zu machen ist.Um auch unterwegs stets auf eine Dokumentation zurückgreifen zu können, erstellte ich anhand der Aufnahme eine schriftliche Anleitung, in der die einzelnen Schritte nochmals dargestellt wurden.Unser Alltag unterlag nach der Implantation nun einigen weiteren Einschränkungen und Regelungen. So durfte Joshua innerhalb von 12 Stunden nach der Punktion des Ports weder ein Vollbad nehmen, noch schwimmen gehen, da erst nach dieser Zeitspanne die Einstichstelle in der Haut soweit verschlossen war, dass keine Keime eindringen konnten. Erst nach 24 Stunden, so zeigt die Erfahrung, ist die Einstichstelle wieder vollständig verschlossen. Auch ist die Punktion des Ports im Vergleich zur Venenpunktion wesentlich zeitaufwendiger. Fahrlässigkeit ist etwas, was man sich bei der Punktion des Ports nicht erlauben darf, egal ob man verschlafen hat oder ein wichtiger Termin ansteht. Zur Not muß man die Vorbereitungen bzw. die Punktion abbrechen und später noch einmal komplett neu beginnen. Ihr ist stets 100% Aufmerksamkeit zu widmen. Weiterhin ist strikt darauf zu achten, dass medizinische Utensilien, die von der sterilen Ablage heruntergefallen sind, nicht mehr benutzt werden dürfen. Eine Ausnahme, u.a. aus Kostengründen, bildet lediglich der schon in Spritzen aufgezogene Faktor. Fällt dieser z.B. von der sterilen Zone, muß die Spritze vollständig, lückenlos und ausgiebig mit Desinfektionsmittel gereinigt werden.Unser Hauptaugenmerk für uns galt stets der Venenpunktion. Den Port sahen und sehen wir noch heute als System für den Notfall. Wir sind schon kurz nach der Implantation des Ports dazu übergegangen morgens die Venen und abends den Port zu nutzen. Dies ermöglichte letztlich auch unseren Urlaub in Spanien zu verbringen, wo Joshua sowohl im Meer als auch im Pool schwimmen konnte. In diesem Urlaub haben wir ausschließlich die Armvenen benutzt, da Joshua und auch wir selbst während dieser Zeit sehr entspannt waren. Und auch wenn Joshua erkältet war oder Fieber hatte, haben wir auf die Nutzung des Ports verzichtet.Nebenbei sei erwähnt, dass wir erst Jahre später erfahren haben, warum Joshua sich stets so schwer mit der Punktion tat; er leidet an einer weiteren Erbkrankheit, dem fragilen x Syndrom. Nach dem Down Syndrom ist es die häufigste Form der geistigen Behinderung. Eine der Begleiterscheinungen dieses Syndroms sind Wahrnehmungsstörungen und Bildung von autistischen Zügen.Inzwischen ist Joshua sechs Jahre alt und akzeptiert es wenn er von meiner Frau oder mir in die Vene gespritzt wird und das ohne Festhalten oder anderen zusätzlichen Maßnahmen. Jedoch mit Unlust, ähnlich dem Zähneputzen. Dank der Ausdauer und Gewissenhaftigkeit beim Punktieren der Venen und des Ports konnte der Hemmkörper erfolgreich gebannt werden und die täglichen Faktor Gaben nach und nach reduziert werden.Wir haben unsere Ziele, Joshua alleine über die Armvenen zu versorgen und auch den Hemmkörper zu besiegen, erreicht. So widersprüchlich es klingt, ohne den Port hätten wir es wohl nicht geschafft.FazitIch denke heute, dass es weder ein generelles Ja oder Nein zum Port geben kann. Es sollte in jedem einzelnen Fall in einem intensiven Beratungsgespräch mit dem kompetenten Behandler sämtliche Alternativen und Handhabungen besprochen und abgewogen werden. Sollte sich man dann für den Port entscheiden ist es wichtig stets konsequent und unter sterilen Bedingungen zu arbeiten. Genauso wichtig ist, es immer zu versuchen, die Venen einzubeziehen, um eine Unabhängigkeit und Alternative zum Port zu besitzen und die Kinder an die Venenpunktion zu gewöhnen.Auf der Homepage der IGH ( www.igh.info ) wird unsere Anleitung zur Nutzung des Ports beschrieben.

Sabine u.Michael Rieke, Bergisch Gladbach

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