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Kinder in Watte packen oder Angst besiegen?
Rottenburg, den 04. April 2011
Die Hämophilie ist eine Krankheit der man viel Aufmerksamkeit, Zeit und Kraft widmen muß. Die Eltern von Bluterkindern übernehmen in den ersten Lebensjahren der kleinen Patienten die Verantwortung für deren gesunde Entwicklung.

Und dass die Kinder bis zum Ende des Wachstums trotz der Heimtücke dieser Krankheit ( Spontanblutungen ) keine körperlichen Schäden, davontragen, ist sehr wohl möglich. Dazu dürfen wir die Kinder aber nicht in Watte packen, weder physisch noch psychisch.

Stellen Sie sich vor, Ihr hämophiler Sohn lernt gerade laufen. Dabei fällt er natürlich immer wieder auf den Hosenboden oder auf die Knie. Sie zucken jedesmal zusammen vor Angst, denn jeder Sturz könnte zu einer Blutung führen ( was aber wohl nur sehr selten der Fall sein wird ). Das arme Kind! Wir armen Eltern!
Was wird passieren wenn Sie dem Kind Knieschoner geben und hinten in die Hose ein Wattekissen einnähen? Als erstes werden Sie entspannter den Gehversuchen ihres Sprößlings folgen. Aber es ist nicht Ihre Krankheit, der Junge muß damit leben und zwar länger als Sie. Als zweites werden Sie beobachten können, wie Ihr Kind Spaß am Hinfallen bekommt. Denn es tut ja gar nicht mehr weh, im Gegenteil, es macht dem Kind immer mehr Freude. Und auch Sie sind glücklich und entspannt.
Aber was lernt das Kind? Auf jeden Fall wird es sich nicht mehr so stark bemühen sicher zu stehen und beim Laufen einen Sturz zu vermeiden. Es fehlt dem Kind nämlich eine Erfahrung: Schmerz! Und wir wissen alle, Schmerz ist ein guter Lehrmeister. Keine Sorge, Ihr Kind wird Laufen lernen. Ein bißchen später zwar als es seine Möglichkeiten zugelassen hätten, auch ein bißchen später als andere Kinder.

Sie achten natürlich darauf, das Ihr Sohn keine riskanten Sachen macht und das die Menschen um ihn herum Rücksicht nehmen. Auch warten Sie mit dem Erlernen des Radfahrens noch ein wenig. Sein Balancegefühl ist ja auch noch nicht so entwickelt wie bei seinen Freunden. Wie könnte es auch?
Sie können sich ausmalen wie die Entwicklung dieses Jungen weiterhin gebremst wird. Und das ist heute nicht mehr notwendig. In einigen Artikeln dieser Ausgabe der igh.info wird darauf hingewiesen, dass eine normale körperliche Entwicklung der jungen Hämophilen sehr wichtig ist. Sie ist nun dank des medizinischen Fortschritts, der immer verfügbaren Medikamente und der sehr guten Aufklärung über diese Krankheit kein großes Problem mehr.

Nie werde ich vergessen, wie mein Sohn als kleines Kind auf ein Klettergerüst steigen wollte. Ich mußte ihm über die erste Hürde hinweghelfen, da er noch zu klein war. Kurze Zeit später war er oben in der Spitze angelangt, ca. 7 Meter hoch. Darauf hin sprach mich die Mutter eines anderen Kindes ( Nichtbluter ) an und fragte ob es nicht fahrlässig sei, diesen kleinen Jungen so hoch klettern zu lassen? Ich glaube sie hatte Recht! Aber noch heute bin ich froh, dass ich ihn habe klettern lassen.
Jetzt ist er 15 Jahre alt, hat die Verantwortung für seine Krankheit übernommen, ist in einer sehr guten körperlichen Verfassung und wird mit ziemlicher Sicherheit das Erwachsenenalter als gesunder und normaler junger Mann erreichen.
Auch wenn meine Frau und ich in den ersten Jahren oft Blut und Wasser geschwitzt haben, als wir unseren Sohn nicht einschränkten, bin ich noch jetzt glücklich und auch ein wenig stolz auf die Entwicklung dieses „süßen, kleinen, armen Bluterwürmchens“. Vielleicht haben wir zu Anfang viel „riskiert“ und mußten daher öfter spritzen lassen als uns lieb war. Insgesamt aber benötigt er wenig Faktor und hat mittlerweile sehr selten eine Blutung, manchmal nur 2 oder 3 pro Jahr. Neben mehrmaligem Tischtennis-Training in der Woche und Meisterschaftsspiel oder Rangliste am Wochenende, Volleyball, Rad fahren und dem „verbotenen“ Fußballspiel mit den Freunden ist auch die körperliche Entwicklung während der Pubertät kein Problem. Übrigens hat er unter 1 % Restaktivität und baut den zugeführten Faktor VIII recht schnell ab.

Trauen Sie Ihrem Kind was zu, lassen Sie es eine normale Entwicklung nehmen. Stellen Sie im Kindergarten und später in der Schule die Hämophilie als gut händelbare Krankheit dar, nicht als Behinderung. Fördern Sie die sportlichen Aktivitäten Ihres Kindes, damit es einen schützenden, gut funktionierenden Muskelapparat aufbaut. Denn der vermeidet sehr viel mehr Blutungen als das Watte jemals leisten könnte.

Johannes Himmes, Kleve

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