427 betroffene Patienten, Angehörige, Ärzte und sonstige Wissenschaftler, Vertreter der Politik, der Gesundheitsbehörden, der Pharmaindustrie und viele sonstige Interessierte fanden am 16. April 2005 zu früher Stunde den Weg in die Stadthalle nach Bad Godesberg, um sich auf dem von der Interessengemeinschaft Hämophiler zum vierten Male veranstalteten Patienteninformationstag über die neusten Erkenntnisse rund um das Thema Hämophilie informieren zu lassen.
Der stellvertretende
Vorsitzende der
IGH, Herr Dr. med. Thomas Becker (Trier) begrüßte
die
zahlreichen Gäste, bedankte sich zuerst bei Herrn Professor
Hanfland, Direktor des Institutes für Experimentelle
Hämatologie
und Transfusionsmedizin des Universitätsklinikums Bonn
für
die Übernahme der Schirmherrschaft und bei Herrn Dr.
Hans-Herrmann Brackmann, der sich für die Leitung des
wissenschaftlichen Programms zur Verfügung gestellt hatte.
In einer per
Video
übermittelten
Grußbotschaft bedauerte der IGH-Vorsitzende
Wilfried Breuer,
dass er wegen einer schweren Krankheit nicht persönlich
teilnehmen könne, bedankte sich zunächst bei den
Teilnehmern für ihr Kommen und bei den zahlreichen Referenten
für ihre Bereitschaft, mit den Patienten in den Dialog treten
zu
wollen.
Breuer führte
weiter aus, dass die
IGH den 4. PIT nutzen wolle, um sich bei drei
Persönlichkeiten,
die sich um die Hämophilietherapie verdient gemacht haben, zu
bedanken und sie in den in Kürze bevorstehenden Ruhestand zu
verabschieden. Er würdigte die Verdienste des
Gründungsdirektors
des Instituts für Experimentelle Hämatologie und
Transfusionswesens, Herrn Prof. Hans Egli, des heutigen Direktors,
Herrn Prof. Peter Hanfland und schließlich des
Hämophiliebehandlers, Herrn Dr. Hans-Herrmann Brackmann und
seiner Gattin Christine.
Der Erste
Bürgermeister der
Bundesstadt Bonn, Herr Horst Naaß, eröffnete die
Veranstaltung, dankte der IGH für die seit vielen Jahren gute
Zusammenarbeit mit der Stadt Bonn und hob im weiteren Verlauf
seiner
Rede die Bedeutung des Hämophiliezentrums Bonn und
des gesamten
Instituts für Experimentelle Hämatologie und
Transfusionsmedizin für den Wissenschaftsstandort Bonn hervor.
Der Schirmherr des 4.
Patienteninformationstages, Herr Prof. Hanfland, Direktor des
Institutes für Experimentelle Hämatologie und
Transfusionsmedizin des Universitätsklinikums Bonn sprach
in
seiner Eröffnungsansprache von einem
denkwürdigen 4. PIT.
Er sprach davon, dass die
IGH mit dem
PIT eine Veranstaltungsreihe ins Leben gerufen habe, die mit sehr
großem Erfolg das Zusammenwirken von Patienten und
Ärzten
gepflegt und gestärkt habe.
Denkwürdig sei der
PIT auch
deshalb, weil während dieser Veranstaltung aktuelle,
vielleicht
auch brisante Themen besprochen werden.
Und schließlich
deshalb
denkwürdig denkwürdig, weil mit dem Ausscheiden von
Dr.
Brackmann und seiner Person mit Herrn Dr. Oldenburg ein Vertreter der
jungen Generation die Leitung des Institutes und des
Hämophiliezentrums übernehme, der gleichzeitig eine
exzellente wissenschaftliche Expertise und eine medizinisch
ärztliche
Kompetenz in der Behandlung von Patienten mit
Blutgerinnungsstörungen
vereine.
Die
Staatssekretärin im
Ministerium für Gesundheit, Soziales, Frauen und Familie des
Landes Nordrhein-Westfalen, Frau Cornelia Prüfer-Storcks
würdigte
in
ihrem Grußwort den Beitrag, den
Selbsthilfeorganisationen, wie die Interessengemeinschaft
Hämophiler für das Gesundheitswesen leisten. Sie hob
darüber hinaus
die Bedeutung der Blut- und Plasmaspende hervor und dankte allen
Spenderinnen und Spendern für ihr freiwilliges Engagement und
ihr gesellschaftliches Verantwortungsgefühl.
Nach der
Einführung durch die
politischen Vertreter standen im Laufe des Vormittags dann die
Laudationes für die ausscheidenden Prof. Hanfland und Eheleute
Brackmann sowie der Festvortrag im Mittelpunkt.
Herr Prof. Erhard Seifried,
Ärztlicher
Direktor des Blutspendedienstes Baden Württemberg/Hessen,
bedankte sich in seiner Laudatio, dass er vor einer so riesigen
Patientenschaft Worte zum Leben und Wirken des Professor Hanfland
vortragen dürfe. Nach einer ausführlichen
Beschreibung der
notwendigen Fähigkeiten, die eine Führungskraft
vereinen
müsse, bescheinigte er Herrn Hanfland eine charismatische
Führungspersönlichkeit, der es immer eloquent aber
auch
konsequent verstand, Kollegen und Gesprächspartner von seiner
Meinung zu überzeugen.
Seine Laudatio beendete er
mit den
Worten des Dichters Johann Wolfgang von Goethe,: „Wenn du
alle
Antworten kennst, aber niemand mehr dir Fragen stellt, dann bist du
im Ruhestand“ und stellte fest, dass so gesehen Herr Hanfland
noch
lange nicht im Ruhestand sei.
Frau
Professor Inge Scharrer vom
Hämophiliezentrum der Johann Wolfgang Goethe
Universität
Frankfurt/Main, drückte ihre besondere Freude darüber
aus,
dass sie einen Tag vor dem Welthämophilietag die Laudatio auf
den deutschen „Hämophiliepapst“ , Herrn
Dr. Brackmann halten
dürfe. Sie betonte, dass die Einführung der
Heimselbstbehandlung durch Prof. Egli und Dr. Brackmann im Jahre 1971
ein Eck- und Meilenstein in der Hämophiliebehandlung
darstellte
und insbesondere Herrn Dr. Brackmann deshalb nicht nur der Dank der
Patienten, sondern auch der Hämophiliebehandler Deutschlands
für
die „wegweisende Orientierung zur Erhöhung der
Lebensqualität
der Patienten…“ gelte.
Weiter betonte sie, dass
die Erfolge
des Dr. Brackmann nur durch die tatkräftige
Unterstützung
durch seine Ehefrau Christine möglich geworden seien und
zitierte ihn mit seinen eigenen Worten während der
Preisverleihung für die Entwicklung der Immuntoleranztherapie
in
Athen im Jahre 1992: „This award should really go to my
lovely
wife. Without her I wouldn´t have managed this all“.
Sie schloss ihre Laudatio
mit dem
Goethe-Wort: „Einen neuen Lebenslauf beginne mit hellem Sinne
und
neue Lieder tönen auf“.
Der erste Teil des 4.
Patienteninformationstages wurde mit dem Festvortrag „Von der
Cohn-Fraktion I zur Gentherapie“ von Herrn Professor Wolfgang
Schramm vom International Hemophilia Training Center der Ludwig
Maximilians Universität München abgeschlossen.
Professor
Schramm stellte die schwierigen Anfänge der Blutertherapie vor
und berichtetet von ersten Therapieansätzen im Jahre 1941 mit
EDTA und dem ersten PPSB-Präparat „AC 76“
im Jahre 1952.
Beschrieben wurde das Krankheitsbild bereits 1793 von deutschen
Ärzten, wissenschaftlich beschrieben wurde die
Hämophiliekrankheit erstmals 1820 von dem deutschen Arzt
Nasse,
der damals von „der erblichen Neigung zu tödlichen
Blutungen“
berichtete. Im ähnlichen Zeitraum gab es auch eine Publikation
über das Alter der Patienten. Von 52 hämophilen
Patienten
starben die allermeisten bis zum 20. Lebensjahr, nur drei Patienten
haben das 50. Lebensjahr damals überhaupt erreicht.
Der Durchbruch wurde Anfang
der 70iger
Jahre mit der Einführung der ärztlich kontrollierten
Heimselbstbehandlung erreicht, erstmals hatten die Hämophilen
die Möglichkeit, ihre Krankheit prophylaktisch, das
heißt
vorbeugend zu behandeln und somit die bis dahin
lebensgefährlichen
Blutungen zu verhindern.
Heute dagegen wird bereits
diskutiert,
ob man mit Hilfe der Gentherapie die Krankheit beseitigen
könnte.
In den beiden folgenden
Podiumsdiskussionen „Hämophilieversorgung nach dem
GKV-Modernisierungsgesetz“ und „Sicherheit von
Blutprodukten“
bezogen Fachleute aus den verschiedenen Bereichen Stellung.
Zusammengefasst kann gesagt werden, dass zwar –wie in allen
Bereichen- gespart werden muss und die Aufforderung der
Kostenträger
nach einer Behandlung in zertifizierten
Hämophiliebehandlungszentren
sehr deutlich formuliert wurde, dennoch der bekannte Therapiestandard
derzeit nicht in Frage gestellt wird. Bei der Diskussion um das Pro
und Contra bei der Anwendung von plasmatischen oder rekombinanten
Faktorpräparaten wurde deutlich, dass beide
Präparategruppen
zu etwa gleichen Anteilen verordnet werden, die Tendenz sowohl bei
den Ärzten als auch den Patienten aber offensichtlich doch zu
den rekombinanten Produkten neigt.
Bedauerlich war, dass die
Möglichkeit,
die Patienten intensiv in die Diskussion einzubinden, von diesen kaum
genutzt wurde.
Nach der Mittagspause
wurden die
aktuellen Aspekte der Behandlung erörtert.
Zunächst gab der
Leiter und
Oberarzt des Bonner Hämophiliezentrums, Herr Dr. Brackmann
einen
Einblick
in die Behandlungsziele der Hämophilietherapie und
stellte fest, dass bei der Abwägung zwischen Minimum der
Hämophilietherapie mit der ausschließlichen
Behandlung von
akuten Blutungen und dem absoluten Maximum durch den kompletten
Ausgleich des Gerinnungsdefektes durch die tägliche Gabe einer
ausreichenden Menge des fehlenden Gerinnungsfaktors sich in der
Praxis der goldene Mittelweg hervorragend bewährt habe. Dabei
wird eine auf jeden einzelnen Patienten abgestimmte, immer wieder
kontrollierte und nachjustierte Behandlung in engster Kooperation
zwischen Arzt und Patient gefunden und somit Blutungen und deren
Folgen vermieden. Er bedankte sich in diesem Zusammenhang bei dem
Gründungsdirektor des Institutes für Experimentelle
Hämatologie und Transfusionsmedizin des
Universitätsklinikums
Bonn, Herrn Prof. Dr. Hans Egli, durch dessen Einführung der
ärztlich kontrollierten Heimselbstbehandlung im Jahre 1971 das
Erreichen dieses Therapiezieles überhaupt erst
möglich
wurde.
Frau Dr. Voigt von der
Immunologischen
Ambulanz der Medizinischen Klinik am Universitätsklinikum Bonn
musste bei ihrer Betrachtung über die neuen Aspekte der HIV-
und
Hepatitis-Therapie feststellen, dass trotz aller Fortschritte in der
Behandlung von monoinfizierten Patienten es immer noch gewaltigen
Aufholbedarf bei koinfizierten Blutern gibt. Die sowohl HCV- als auch
HIV-infizierten Patienten bilden nicht nur 10 – 20 Jahre
früher
als nur HCV-infizierte Bluter eine Leberzhirrose bzw. ein
Leberzellkarzinom aus, sondern sprechen auch wesentlich schlechter
auf Therapieversuche an. Während bei den nur HCV-infizierten
Patienten durch entsprechende Behandlungsansätze inzwischen
bis
zu 79% dauerhafte Heilungserfolge beobachtet werden können,
reduziert sich das bei den doppelt infizierten Patienten auf etwa 25
bis maximal 40%.
Als Goldstandard in der
Therapie wird
inzwischen die kombinierte Behandlung von pegyliertem Interferon und
Ribavirin angesehen, wobei ein ebenso wichtiger Baustein für
die
erfolgreiche Behandlung ein frühes Therapieansprechen ist.
Sollte beim Patienten nach einer Behandlungsdauer von maximal
zwölf
Wochen keine drastische Reduzierung der HC-Viren festgestellt werden,
bricht man die Therapie in der Regel wegen der erheblichen
Nebenwirkungen ab, weil kein dauerhafter Erfolg mehr zu erwarten ist.
Hämophile
Patienten besonders der
älteren Generation haben häufig mit schweren
Gelenksveränderungen zu tun, die man auf zweierlei Weise zu
behandeln versucht. Vor einem chirurgischen Eingriff sollte zuerst
immer der konservative Weg versucht werden. Herr Dr. Seuser von der
Kaiser-Karl-Klinik Bonn schilderte in seinem Vortrag, wie wichtig das
Roll-Gleit-Verhalten für die gesunde Balance der Gelenke ist
und
appellierte deshalb an die Patienten, Kraft und Koordination zu
trainieren, um ihre Muskulatur zu stärken und damit die
Gelenke
zu entlasten. Dies kann durch verschiedene Therapieansätze wie
z.B. Massagen, Kälte-Wärme-Therapie, Wassertraining
erfolgen. Wichtig erscheint Herrn Seuser auch, dass der
Hämophiliepatient, der in Fachkreisen auch der
„silent
sufferer“, der „stille Dulderer“ genannt
wird, mit seinem
Behandler über seine Schmerzen spricht und diese behandeln
lässt. Schmerzen behindern die Funktion der Gelenke,
führen
zur Schonhaltung, belasten damit die gesunden Gelenke
übermäßig
und führen nicht selten dann auch zu deren
Schädigung. Es
gibt heute vielfältige Möglichkeiten der
Schmerztherapie,
angefangen von wirksamen Medikamenten über physikalische
Therapiemöglichkeiten.
Wie vielfältig die
Möglichkeiten
der rehabilitativen Medizin sind, erläuterte im Anschluss Dr.
Hilberg vom Lehrstuhl für Sportmedizin an der
Friedrich-Schiller-Universität in Jena. Mit dem an seinem
Institut entwickelten „Hemophilia Exercise Project“
können
bei stark geschädigten Gelenken koordinative
Fähigkeiten
und als Resultat daraus auch die konditionellen Fähigkeiten
verbessert werden. Dies wird mit einer programmierten Sporttherapie
erreicht, wobei den Patienten zunächst im Rahmen von
Sportcamps
in Bad Blankenburg in Thüringen in Schulungen
Trainingsanleitungen vermittelt werden, die diese dann zu hause im
Heimtraining umsetzen müssen. Die Erfolge werden nach einem
halben Jahr bei einem Folgecamp überprüft und
entsprechende neue Therapiepläne entwickelt, je nach
Fortschritt
der Patienten.
Voraussetzung für
eine optimale
Therapie ist jedoch immer die Diagnose. Nur mit einer
ausführlichen
Diagnose sind nämlich die eingeschränkten Funktionen
erkennbar und durch individuell auf den einzelnen Patienten
abgestimmte Therapiepläne sind die Fähigkeiten der
eingeschränkten Gelenkssituationen trainierbar und
führen
in vielen Fällen zu dauerhaften Verbesserungen.
Erst wenn die konservativen
Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft wurden und
keine
dauerhafte Erleichterung für den Patienten gebracht haben,
wird
der orthopädische Chirurg in Erscheinung treten
müssen.
Herr Dr. Wallny vom St. Bernhard Hospital in Kamp-Lintfort
schilderte, dass sich bei vielen Patienten vorwiegend der
älteren
Generation durch zahlreiche Einblutungen in die Gelenke so genannte
Arthropathien bilden, die teilweise zur vollständigen
Zerstörung
der Gelenke führen und einen operativen Eingriff
unumgänglich
machen. Ziel des chirurgisch tätigen Orthopäden ist
es
also, den Patienten wieder mobil zu machen oder doch zumindest die
Folgen der Arthropathie abzulindern. Grundlage für den
operativen Eingriff beim hämophilen Patienten ist unbedingt
die
interdisziplinäre Zusammenarbeit, hier insbesondere mit dem
Labor, das die Gerinnungswerte bestimmt und natürlich dem
Hämophiliezentrum, das die Dosierungsempfehlungen gibt. An
zwei
Dias veranschaulichte Dr. Wallny ein gesundes und ein bereits
weitgehend zerstörtes Kniegelenk.
Dr. Kurth von der
Orthopädischen
Universitätsklinik Friedrichshain in Frankfurt/Main schilderte
anschließend an Hand eines einzelnen Patienten, dessen
Gelenke
bereits weitgehend verkrüppelt waren, dass selbst in
schwierigsten Fällen operative Eingriffe deutliche
Verbesserungen bringen. Der beschriebene Patient hatte eine
Hemmkörperhämophilie, zwei zerstörte
Kniegelenke, eine
nicht mehr funktionierende Hüfte und diverse andere
Gelenksschädigungen. Normalerweise müssten die vorher
beschriebenen Symptome den Patienten lebenslang an sein Bett fesseln,
dennoch wagte man hier eine umfassende Operation, der Patient ist
heute wieder mobil. Dr. Kurth wollte mit diesem Extrembeispiel, das
weit über die Routineversorgung hinausging, allen
hämophilen
Patienten mit Einschränkungen in der Mobilität Mut
machen
und aufzeigen, dass selbst in aussichtslosen Fällen operative
Eingriffe deutliche Verbesserungen für den Betroffenen bringen
können.
Nach der Kaffeepause begann
der Block
„Hämophilie und Familie“ zunächst
mit einer
Situationsbeschreibung der Hämophiliebehandlung aus der Sicht
der Hämophilieassistentin. Christine Brackmann aus Bonn
schilderte, dass die Hämophilieassistentinnen sich in den
90iger
Jahren zu einem Arbeitskreis zusammengefunden haben, um Erfahrungen
auszutauschen. Heute besteht dieser Kreis aus 36 Teilnehmern, aber
erst im vergangenen Jahr wurde ihnen anlässlich der
7. Greifswalder
Hämophilie-Tage
die Möglichkeit geboten, öffentlich über die
Betreuungspraxis der hämophilen Patienten aus der Sicht der
Assistentinnen zu berichten. Erstmals konnte vor Fachpublikum
dokumentiert werden, wie wichtig die Hämophilieschwester als
Bindeglied zwischen Patient und Arzt ist und dass sie in erster Linie
Ansprechpartnerin und Vertrauensperson der Patienten sei.
Frau Brackmann schilderte
aus ihrer
34jährigen Berufspraxis an Hand von Einzelbeispielen
die
Entwicklung der Hämophilietherapie. Ihre
Nervosität bei der
ersten gesetzten Spritze mit Faktorenkonzentrat war spürbar,
die
Schilderung der Lebenssituation des ersten Patienten der
Heimselbstbehandlung vor und mit der Heimselbstbehandlung war
ergreifend und erinnerte viele ältere Hämophile an
ihre
eigene Situation zur damaligen Zeit, aber auch der Appell an die
jungen Hämophilen, ihre Erwartungshaltung an ein vollkommen
gleichgestelltes Leben von blutgesunden Gleichaltrigen nicht
überzustrapazieren und ihre Grunderkrankung zu akzeptieren,
beeindruckte.
Die Diplom Psychologin,
Elisabeth
Schulze-Schleithoff vom Hämophiliezentrum Bonn unterschied bei
der psychischen Belastung und dem
persönlichkeitsprägendem
Einfluss von hämophilen Patienten zwischen alter und neuer
Hämophilie, also der Hämophilieerkrankung vor und
nach der
Einführung der Heimselbstbehandlung. Im Zentrum der alten
Hämophilie standen Blutungen, Schmerzen, Bettruhe und
häufige
Krankenhausaufenthalte. Eltern, insbesondere Mütter, neigten
aus
eigenem Ohnmachtsgefühl dazu, die Söhne zu
behüten, zu
schonen und abzuschirmen. Die Söhne selbst verbanden ihre
Krankheit mit Schmerzen, Ausgegrenztsein, körperlicher
Beeinträchtigung. Durch das Fehlen von Kontakten zu
Gleichaltrigen beschränkte sich die Kommunikation mit der
Außenwelt häufig auf die eigene Verwandschaft, es
kam
häufig zu emotionaler Isolation.
Für die jungen
Hämophilen
stellen sich dagegen völlig andere technische und psychische
Belastungen. Aus Mangel an erfahrenem Schmerz durch die
prophylaktische Therapiemöglichkeit wird der eigentliche
Stechvorgang als schmerzhafter und äußerst
unangenehmer
und vor allem auch lästiger Vorgang betrachtet. Dadurch, dass
hämophile Jungen heutzutage wie andere Kinder aufwachsen und
Normalität fast zum Programm wird, wird z.B. auch das
Fußballverbot als nicht zu akzeptierende Härte und
Belastung angesehen.
Aus eigener Erfahrung und
auch aus
Gesprächen mit anderen betroffenen Eltern formulierte Corinna
Clemens die Erwartungen der Patienten aus der Sicht der Eltern von
hämophilen Kindern an ein Behandlungszentrum. Da die Eltern
die
Diagnose „Hämophilie“ meistens durch den
Kinder- oder
Hausarzt erfahren, erfolgt hier nur eine ungenügende
Aufklärung
über das Krankheitsbild und die Eltern
überfällt
Ohnmacht und Panik, wie sie mit dieser Mitteilung umgehen sollen.
Nach der Überweisung in das Hämophiliezentrum wird
sich
dieses Gefühl nicht wesentlich verändert haben und
deshalb
ist eine Grundbitte an die Mitarbeiter der Zentren: Ruhe bewahren,
selbst wenn die Eltern unsicher, ängstlich und teilweise
hysterisch reagieren. Es sollte nie vergessen werden, dass junge
Eltern eine Menge Ängste und Sorgen mit sich herumtragen und
nicht wissen, wie sie im Alltag mit der Krankheit ihrer Kinder
umgehen sollen. Es gibt viele Fragen, die auch beantwortet
zunächst
nicht zur Beruhigung beitragen und deshalb immer wieder gestellt
werden. Auch später, wenn sich die erste Aufregung gelegt hat
und der Umgang mit der Hämophilie gewohnter wird, wird an die
Hämophilieassistentinnen und an die behandelnden
Ärzte
appelliert, Geduld zu bewahren, wenn die ersten Stechversuche beim
eigenen Kind erfolglos bleiben und deshalb die Unsicherheit und die
Nervosität der Eltern zunehmen.
Manchmal wollen die Eltern
einfach die
Seele frei reden, deshalb ist auch das Zuhören eine wichtige
Erwartung der Patienten an ihre Behandler, Psychologen und
Hämophilieassistentinnen.
Da das
Hämophiliezentrum eine
wichtige Rolle im Leben der Eltern von hämophilen Patienten
einnimmt, wird nicht zuletzt gefordert, dass dort Infopulte mit
Standardinformationen und –anschreiben bereit stehen, wo man
sich
z.B. über Kuranträge erkundigen kann,
erfährt, wie man
sich bei der Anmeldung in Kindergarten, Schule usw. verhält.
Herr
Dr. Oldenburg vom
DRK-Blutspendedienst Baden Württemberg/Hessen versicherte als
zukünftiger Direktor des Institutes für
Experimentelle
Hämatologie und Transfusionsmedizin am
Universitätsklinikums
Bonn und in Personalunion auch zukünftiger
Hämophiliebehandler,
dass am derzeitigen Therapieschema festgehalten werde und es hier
nicht zu Veränderungen komme.
Die personelle
Stabilität im
Hämophiliezentrum soll zukünftig oberstes Gebot sein,
damit
die Zusammenarbeit zwischen Arzt und Patient einen langfristigen
Bestand hat, das Vertrauensverhältnis gewahrt bleibt und jeder
Arzt jeden Patienten auch im Detail kennt und auf bestimmte
Ereignisse unverzüglich reagieren kann.
Die Leitung eines
Institutes und die
Hämophiliebehandlung in einer Hand ist einzigartig in
Deutschland und garantiert dem Hämophiliezentrum und auch der
Hämophiliebehandlung eine langfristige Stabilität.
Eine weitere wichtige
Voraussetzung für
eine langfristige Sicherung der Hämophilietherapie besteht
nach
Überzeugung von Dr. Oldenburg in der Konzentration der
Behandlung in wenigen gut ausgerichteten Zentren. Große
Zentren
haben politischen Einfluss und können integrierte
Behandlungskonzepte zur Verfügung stellen. Die
interdisziplinäre
Zusammenarbeit ist eine wesentliche Voraussetzung für eine
optimale und kostenorientierte Hämophilietherapie. Patienten
und
deren Interessenvertretungen tragen zur Sicherstellung ihres
gewohnten Behandlungsstandards bei, indem sie die großen
Zentren mittragen und unterstützen. Weitere wichtige
Arbeitsschwerpunkte von Dr. Oldenburg werden zukünftig die
weitere Verbesserung der Hemmkörpertherapie und die
Erforschung
der Gentherapie sein.
Den Abschluss des 4.
Patienteninformationstages bildete die
Patientenrede
von Wilfried
Altendorf aus Minden. Herr Altendorf, einer der ersten
Patienten des
Bonner Hämophiliezentrums, berichtete über die
Anfänge
des Bluterzentrums im Keller des Instituts. Es musste an allen Ecken
improvisiert werden, weil die Mittel und Möglichkeiten zu
damaligen Zeiten knapp bemessen waren. Dennoch waren alle
Beteiligten, Ärzte wie Patienten, hoch motiviert, die Idee von
Professor Egli, die Heimselbstbehandlung umzusetzen. Die Konzentrate
mussten mit einer Krups-Küchenmaschine aufgelöst
werden,
später erfand ein Patient eine Schüttelmaschine,
damit man
das Konzentrat nicht mehr endlos lange in der Hand schütteln
musste, bevor es fertig zum Injizieren war. Heute beherbergt das
Bonner Universitätsklinikum das herausragendste und
größte
Hämophiliezentrum der Welt mit über 1000 Patienten.
Den
entscheidenden Anteil an der Entwicklung des Zentrums habe
zweifelsohne Dr. Brackmann, der gemeinsam mit seiner Gattin 24
Stunden an sieben Tagen in der Woche für seine Patienten
erreichbar gewesen sei und erinnerte an eigene Erlebnisse, wenn er
mitten in der Nacht telefonische Beratung oder auch am Wochenende
nach schweren Blutungen ärztliche Betreuung benötigte.
Im Namen aller Patienten
bedankte sich
W. Altendorf beim Ehepaar Brackmann für die jahrelange
aufopferungsvolle Tätigkeit mit den Abschiedsworten:
„Große
Ärzte können nur die feinsten Köpfe sein. So
ein Arzt
ist Hans-Herrmann Brackmann. Einer, der segensvollen Einfluss auf das
Glück seiner Mitbürger genommen hat, auf uns, seine
Patienten zum Beispiel, die ihn schätzen und lieben, weil er
uns
als Menschenfreund und Helfer begegnet ist. Den Arzt müssen
wir
ziehen lassen. Wir gönnen dem Ehepaar Brackmann nach Jahren
unendlicher Disziplin und überragenden Fleißes
weitere
Jahre des Schlendrians, des Nichtstuns und des Genießens.
Unser
Trost: Die Freunde Brackmann brauchen wir nicht ziehen zu lassen, sie
bleiben uns erhalten. Und ein Zeichen unseres unendlichen Dankes an
ihre medizinischen Leistungen soll sein, dass wir sie auch
zukünftig
als Freunde im Herzen und im Terminkalender behalten.“
Nach den Abschiedsworten
von Dr.
Brackmann und Dr. Becker überreichte der
IGH-Geschäftsführer,
Herr Schelle dem Ehepaar Brackmann als Abschiedsgeschenk der
Patienten ein mit 4.000 Euro wohlgefülltes Sparschwein (das
während des PIT tagsüber von den Patienten ordentlich
gefüttert wurde), dessen Inhalt auf ausdrücklichen
Wunsch
des Ehepaares Brackmann für die Errichtung eines Spielplatzes
und womöglich auch noch für die Einrichtung einer
Spielecke
im neuen Hämophiliezentrum verwendet werden soll.
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Impressionen vom PIT 2005

Redner des PIT 2005