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Initialtherapie der HIV-Infektion - aktuelle Aspekte
Rottenburg, den 27. Januar 2009

Einleitung
Die HIV-Infektion stellt nach wie vor weltweit eine der bedeutendsten gesundheitlichen Herausforderungen dar. In westlichen Industrieländern, wo eine ausreichende Verfügbarkeit antiretroviraler Medikamente gegeben ist, ist für die meisten HIV-infizierten Patienten eine sehr gute Behandelbarkeit der Infektion auch auf lange Sicht gegeben. Allerdings ist auf Grund der möglichen Resistenzentwicklung des HI-Virus gegenüber antiretroviralen Medikamenten die richtige Kombination antiretroviraler Medikamente (hochaktive antiretrovirale Therapie, HAART) im Rahmen der Ersttherapie mitentscheidend für den langfristigen Therapieerfolg. Auch gilt es, für jeden einzelnen Patienten den idealen Zeitpunkt zum Beginn einer antiretroviralen Therapie sorgsam zu bestimmen. Mit der weiteren Entwicklung neuer Medikamente, Fixdosiskombinationen und Medikamentenklassen hat sich in den letzten Jahren neben der Wirksamkeit auch die Verträglichkeit der Medikamenteneinnahme durch ein verbessertes Nebenwirkungsprofil und einfachere Tabletteneinnahme deutlich verbessert. Dies hat zu einer Reihe von Änderungen in den Therapieempfehlungen1-3 zu dem Zeitpunkt des Therapiebeginns als auch zu der empfohlenen Therapie selbst geführt, welche wir im Folgenden kurz darstellen möchten.

 

Therapiebeginn
Obwohl in den letzten Jahren einige Studien sich der Frage eines erhöhten Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko für höhere CD4-Strata gewidmet haben, fehlen weiterhin prospektive randomisierte Studien, um den genauen Vor- und Nachteil einer frühen HAART zu beleuchten. Insgesamt mehrt sich aber die Evidenz, dass eine frühere HAART bei einem Abfall der CD4-Zellzahl unter 350/μl oder möglicherweise sogar 500/μl Vorteile bietet. Dabei zeichnet sich nicht nur eine Reduktion AIDS und non-AIDS definierender Ereignisse ab, sondern es zeigt sich unter dem frühen Therapiebeginn
auch eine verringerte Resistenzentwicklung4 und verbesserte Verträglichkeit unter den jeweiligen HAART-Regimen 5, 6.
Unumstritten ist nach wie vor, dass alle Patienten im symptomatischen Stadium ihrer HIV-Erkrankung (CDC-Klassifikation Kategorien B und C, Tabelle 1) unabhängig von ihrer Viruskonzentration und CD4-Zellzahl behandelt werden sollten. Ebenso sollten asymptomatische Patienten bei einer CD4-Zellzahl < 200/μl, die mit einem deutlich erhöhten Progressionsrisiko zum Ausbruch von AIDS einhergeht, einer HAART zugeführt werden.
Neuere Studien zeigen jedoch zunehmend, dass eine unkontrollierte HIV-Infektion ungeachtet der Höhe der CD4-Zellzahl zum Teil erhebliche gesundheitliche Risiken birgt. So zeigten HAART-naive Patienten in einer großen Studie mit rund 50.000 Patienten trotz einer CD4-Zellzahl über 350/μl ein erhöhtes Mortalitätsrisiko im Vergleich zur Normalbevölkerung 7. HAART selber zeigte dabei in verschiedenen anderen Studien unabhängig von der CD4-Zellzahl einen protektiven Effekt hinsichtlich des Auftretens von AIDS und nicht AIDS- assoziierten Tumoren 8, 9. Schließlich konnte in der SMART-Studie aufgezeigt werden, dass selbst Patienten mit einer Helferzellzahl >350/μl, welche weiter keine HAART nehmen oder aber eine HAART-Pause beginnen, ein deutlich erhöhtes Risiko für AIDS-definierende Ereignisse oder Tod haben

Tabelle 1: CDC-Klassifikation der HIV-Infektion
Tabelle 1

 

 

Tabelle 2
Tabelle 2: Empfehlungen zur Einleitung der HAART naiven HIV-positiven Erwachsenen

im Vergleich zu Patienten, die kontinuierlich HAART erhalten. Weiter zeigte sich, dass Patienten in der Pause bzw. ohne HAART ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko ebenso wie eine raschere Progression von chronischen Lebererkrankungen (meist Virushepatitiden) aufwiesen als Patienten unter kontinuierlicher HAART, auch wenn die Gründe hierfür noch nicht vollständig verstanden sind10. Diskutiert wird jedoch eine durch die persistierende Virusreplikation ausgelöste Immunaktivierung und damit verknüpfte Entzündungsreaktion. Aufgrund dieser Datenlage empfehlen Deutsch-Österreichische, Europäische und internationale Leitlinien einen Beginn der HAART bei asymptomatischen Patienten, wenn die CD4-Zellzahl unter 350 Zellen/μl (20%) gefallen ist (Tabelle 2).
Nicht so eindeutig ist die Lage bei Patienten mit stabilem Immunstatus >350 CD4-Zellen/μl (>20%), so dass hier individuelle Faktoren berücksichtigt werden sollten. Dabei sollte der Verlauf der CD4-Zellzahl und HIVRNA mit berücksichtigt werden. Ein rascher Abfall der CD4-Zellzahl (>100/μl pro Jahr) und persistierend hohe HIV-RNA (>100.000 Kopien/ml) sind mit einem besonders hohen Risiko der Krankheitsprogression behaftet und sollten bei der individuellen Therapieentscheidung mit berücksichtigt werden. Um eine bestmögliche Entscheidung herbeizuführen, sollte auch das Alter berücksichtigt werden. So weisen ältere Menschen bei gleicher CD4-Zellzahl und HIV-RNA ein erhöhtes Risiko der Progression zu AIDS auf als jüngere Menschen11. Patienten mit chronischer Hepatitis B- oder Hepatitis C-Infektion weisen aufgrund der HIV-Koinfektion ein erhöhtes Risiko einer Progression der Leberfibrose auf und profitieren von einer HAART12. Allerdings sollte vorher geklärt werden, ob eine Therapie mit pegyliertem Interferon und Ribavirin geplant ist, da hier die Verträglichkeit ohne HAART im allgemeinen besser ist.
Schließlich müssen der Therapiemotivation, der zukünftigen Therapieadhärenz und den Lebensgewohnheiten des Patienten Rechnung getragen werden, da für den langfristigen Therapieerfolg eine gute Therapieadhärenz des Patienten von entscheidender Bedeutung ist.

 

Auswahl antiretroviraler Medikamente
Da Einzelsubstanzen rasch zur Resistenzbildung führen, wird eine antiretrovirale Therapie in der Regel nur als Kombinationstherapie verabreicht, wobei sich die Wahl der Präparate an beruflichen und sozialen Voraussetzungen des Patienten und bestehenden Begleiterkrankungen orientieren sollte. Grundsätzlich wird in der Behandlung therapienaiver Patienten eine Kombinationstherapie aus 2 Nukleosid- bzw. Nukleotidanalogen Reverse Transkriptase-Hemmern (N(t)RTI) und entweder einem Nicht-Nukleosidalen Reverse Transkriptase-Hemmer (NNRTI) oder einem
geboosterten Proteasehemmer (PI) empfohlen.
Nahezu alle PI sind in Kombination mit niedrig dosiertem (meist 2 x 100mg/d) Ritonavir® stärker wirksam (sog. »boostern«, PI/r) und deshalb in dieser Kombination zu bevorzugen. Die wesentlichen derzeit empfohlenen Kombinationen der Deutschen und Europäischen Fachgesellschaften zur antiretroviralen Behandlung therapienaiver Patienten sind in Tabelle 3 aufgeführt.
Vor Beginn einer antiretroviralen Therapie sollte in jedem Fall eine genotypische HIV-Resistenztestung durchgeführt werden, um Primärresistenzen entsprechend zu erfassen. Auch in Deutschland sind Primärresistenzen verbreitet, so findet sich z.B. in Nordrhein-Westfalen bei etwa 11% aller neu diagnostizierten HIV-Infektionen mindestens eine resistenzassoziierte Mutation 13. Vorliegende Begleiterkrankungen, Kinderwunsch oder bereits bestehende Schwangerschaft sollten bei der Auswahl der HIV-Medikamente berücksichtigt werden.
Schwangere Frauen oder Frauen mit Kinderwunsch sollten kein Efavirenz einnehmen, da Neuralrohrdefekte bei Neugeborenen beschrieben sind. Auch sollte Efavirenz bei Patienten mit psychiatrischen Grunderkrankungen nur mit Vorsicht eingesetzt werden, da für dieses Patientenkollektiv ein erhöhtes Risiko psychiatrischer Nebenwirkungen beschrieben ist. Alternativ zu Efavirenz kann Nevirapin eingesetzt werden. Hier ist allerdings zu beachten, dass bei Patienten mit höheren CD4-Zellzahlen vermehrt starke allergische Hautreaktionen und Hepatotoxizität beobachtet wurden, so dass ein Einsatz bei Frauen nur im Falle einer CD4-Zellzahl < 250/μl und bei Männern < 400/μl empfohlen wird. Abacavir sollte nur nach vorangegangener Testung auf HLA B5701 eingesetzt werden, da bei entsprechender genetischer Disposition in 50 % der Fälle eine Hypersensitivitätsreaktion (HSR) auftritt, welche lebensbedrohliche Folgen haben kann.


Tabelle 3: Die wesentlichen derzeit empfohlenen Kombinationen der Deutscen und Europäischen Fachgesellschaften zur antiretroviralen Behandlung therapienaiver Patienten
Tabelle 3 


Eine HSR ist meist gekennzeichnet durch Fieber und Hautausschlag. Untypische Präsentationen sind aber beobachtet worden, z.B. in Form von gastrointestinalen oder respiratorischen Beschwerdebildern, meist mit einhergehenden Erhöhungen der Leber- und/oder Nierenwerte. Charakteristisch ist eine Verschlimmerung der Symptome nach jeder Tabletteneinnahme. Tritt eine HSR auf, ist die Therapie mit Abacavir sofort abzusetzen und eine Reexposition in jedem Fall zu vermeiden. Ist der Patient hingegen HLA B5701-negativ, so ist eine HSR unter Abacavir extrem unwahrscheinlich. In der zuletzt durchgeführten PREDICT-Studie wurde kein einziger Fall einer Abacavir-HSR beobachtet, wenn HLA B5701 negativ war. Unklar ist derzeit die Bewertung von Abacavir hinsichtlich eines erhöhten kardiovaskulären Risikos und auch des möglicherweise bei hohen initialen Viruslasten schlechteren virologischen Ansprechens. So zeigte sich in der ACTG 5202-Studie bei Patienten mit hoher HIV-RNA >100 000 Kopien/ml zu Beginn der HAART ein erhöhtes virologisches Versagen, wenn Abacavir Bestandteil der HAART war. In einer anderen Studie, wo Abacavir/Lamivudin gegen Tenofovir/Emtricitabin jeweils in Kombination mit Lopinavir/r einmal täglich über 48 Wochen geprüft wurde, zeigte sich allerdings unabhängig von der Ausgangs-Viruslast kein schlechteres virologisches Ansprechen im Abacavir-Arm, so dass derzeit weitere Studien abgewartet werden sollten. Entsprechende Vorsicht ist aber bei Patienten mit erhöhtem kardiovaskulären Risiko geboten. Sowohl in der D:A: D-Studie als auch in der SMART-Studie fanden sich Hinweise für ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko bei Patienten mit einer Abacavir-haltigen HAART. Allerdings war das Risiko nur gering erhöht und kam vor allem bei Patienten mit bereits bestehendem deutlich erhöhten kardiovaskulären Risiko zum Tragen14, 15. Auch hier sollten weitere Studien zur pathophysiologischen Klärung der Hintergründe abgewartet werden, bevor eine endgültige Bewertung der Substanz erfolgt. Von einem Einsatz von Abacavir bei Patienten mit bestehenden kardiovaskulären Vorerkrankungen wird aber derzeit abgeraten. Tenofovir ist allgemein sehr gut verträglich, kann aber in seltenen Fällen nephrotoxisch sein. Daher sollten Patienten vor und unter Therapie mit Tenofovir regelmäßig auf die Nierenfunktion und Urinstatus /Sediment untersucht werden, um eine Nephrotoxizität nicht zu übersehen. Zidovudin ist nach wie vor das Medikament mit der meisten Erfahrungen in der klinischen Anwendung. Allerdings zeigte sich in den letzten Jahren im Vergleich zu Abacavir /Lamivudin und Tenofovir / Lamivudin eine schlechtere Verträglichkeit und erhöhtes Risiko für die Ausbildung einer Lipoatrophie mit höheren Abbruchraten und damit auch schlechterem Therapieansprechen, so dass die Kombination Zidovudin / Lamivudin nicht mehr als bevorzugte, sondern als alternative NRTI-Kombination empfohlen wird 16, 17.
Bislang war geboostertes Atazanavir aufgrund der Studienlage nur für vortherapierte Patienten zugelassen und empfohlen. Aufgrund der CASTLE-Studie18 und des Nachweises einer Nicht-Unterlegenheit gegenüber dem Referenz-Proteasehemmer Lopinavir/r in der First-Line-Therapie wird nun Atazanavir/r neben Fos-Amprenavir/r und Lopinavir/r als Firstline-PI/r empfohlen. Nach Veröffentlichung der Daten aus der Vergleichsstudie Saquinavir/r versus Lopinavir/r (GEMINI-Studie), die ebenfalls Nicht-Unterlegenheit zeigte, wurde nun auch Saquinavir/r mit bei den First-Line PI/r aufgeführt, auch wenn die Datenlage hier insgesamt nicht so solide ist wie bei den anderen Substanzen19.
In den Internationalen Leitlinien wird anders als in den Europäischen und Deutschen Leitlinien bereits zum jetzigen Zeitpunkt der Einsatz von geboostertem Darunavir in der First-Line-Therapie als weitere Option empfohlen. Diese Empfehlung basiert auf einer Studie, in der Darunavir in einer Dosierung von 800 mg einmal täglich gegen Lopinavir getestet wurde. Hier zeigte sich ein vergleichbares virologisches Ansprechen. Da die 800-mg-Dosierung bislang aber nicht zur Verfügung steht und Darunavir in Europa auch noch nicht zur First-Line-Therapie zugelassen ist, empfehlen derzeit Europäische und Deutsche Leitlinien den Einsatz zunächst nur bei Patienten mit entsprechenden Resistenzen. Ähnliches gilt für Raltegravir, welches ebenfalls noch nicht für die First-Line Therapie zugelassen ist. Entsprechende Phase-III-Studien befinden sich aber bereits in der Auswertung und werden in Kürze vorgestellt. Maraviroc zeigte sich hingegen in den Studien bei therapienaiven Patienten als unterlegen im Vergleich zu dem Efavirenz-basierten Kontrollarm und ist daher derzeit nicht für die First-Line-Therapie zu empfehlen.
Patienten mit einer chronischen Hepatitis sollten nach Beginn einer HAART engmaschig hinsichtlich der Leberfunktionsparameter überwacht werden, da einige der NRTI und alle NNRTI und PI mit erhöhtem Risiko der Hepatotoxizität vergesellschaftet sind. Bei Vorliegen einer chronischen Hepatitis B-Infektion sollte an die Möglichkeit des Einsatzes von Tenofovir und Emtricitabin oder Lamivudin im Rahmen der HAART gedacht werden, da diese Substanzen gleichzeitig die HBV-Polymerase wirkungsvoll hemmen. Patienten mit einer chronischen Hepatitis C, die eine Therapie mit pegyliertem Interferon und Ribavirin planen, sollten aufgrund der vermehrten Toxizität bei gleichzeitiger Gabe von Ribavirin kein Didanosin, Stavudin oder Zidovudin erhalten. In Diskussion ist derzeit, ob
Abacavir womöglich mit schlechterem Therapie-Outcome einer Interferon-Ribavirintherapie vergesellschaftet ist. Allerdings scheint sich der Effekt nur bei Patienten mit niedriger Ribavirindosis bemerkbar zu machen, so dass bei Anwendung der aktuellen Empfehlungen von 1000 /1200 mg Ribavirin nicht von einer klinisch relevanten Interaktion ausgegangen werden sollte.
Eine bestehende Einschränkung der Nierenfunktion sollte eine Überprüfung der Dosierungen der N(t)RTI nach sich ziehen, da diese überwiegend renal eliminiert werden und entsprechende Dosisanpassungen notwendig werden können. Schließlich sollte die bestehende Medikation des Patienten sorgfältig hinsichtlich möglicher Arzneimittelinteraktionen überprüft werden. NNRTI und PI werden größtenteils über das Cytochrom P450 System verstoffwechselt, was sowohl für die HAART als auch für gleichzeitig verabreichte andere Medikamente weitreichende Auswirkungen haben kann. So ist bei gleichzeitiger Einnahme von z.B. Statinen, Protonenpumpen-Hemmern, Antihypertensiva oder Antiarrhythmika, aber auch bei der Einnahme von Johanniskraut je nach Kombination mit subtherapeutischen, aber auch toxischen Medikamentenspiegeln zu rechnen. Mittlerweile stehen verschiedene Internetbasierte Dienste zur Verfügung, um Interaktionen zu überprüfen 20, 21.

 

Überwachung der Therapie
10 bis 14 Tage nach Therapiebeginn sollte eine erste Toxizitätskontrolle erfolgen. Hier sollte insbesondere nach Hautausschlägen, Leberwerterhöhungen und ZNS-Unverträglichkeit geschaut werden. Vier Wochen nach Beginn der Therapie sollte dann eine erste Erfolgskontrolle erfolgen. Zu diesem Zeitpunkt sollte die HI-Viruslast mindestens um zwei Zehnerpotenzen abgenommen haben, andernfalls muss an Resistenzen, Absorptionsprobleme der Medikamente oder Schwierigkeiten in der Patienten-Compliance bezüglich Medikamenteneinnahme gedacht werden.
Spricht die Therapie virologisch initial gut an, kann der weitere Therapieerfolg in zwei- bis viermonatigen Abständen kontrolliert werden. Eine Suppression der Viruskonzentration unter die Nachweisgrenze (< 50 Kopien) sollte bei guter Einstellung innerhalb von 6 Monaten nach Therapiebeginn erreicht werden.
Bei Patienten mit besonders rascher Immunrekonstitution oder solchen, welche bei sehr niedrigen CD4-Helferzahlen eine HAART begonnen haben (< 50 CD4/μl), wird gehäuft ein Immunrekonstitutions-Inflammatorisches Syndrom (IRIS) beobachtet. Hier kommt es paradoxerweise trotz steigender Helferzellen zu einer vorübergehenden Verschlechterung eines zugrundeliegenden Krankheitsbildes oder zu neuem Auftreten opportunistischer Infektionen. Dieses Syndrom wird als überschießende Immunantwort auf einen klinischen oder subklinischen Antigenstimulus im Rahmen des reagibler werdenden Immunsystems gesehen. So kann z.B. bei bestehender chronischer Hepatitis B ein Anstieg der Transaminasen nach Beginn der HAART Ausdruck eines IRIS sein; auch kann bei niedriger CD4-Zellzahl, aber asymptomatischer HIV-Infektion unter steigenden CD4-Zellzahlen eine Tuberkulose erstmalig klinisch apparent werden.

 

Zusammenfassung
Mit dem Verfügbarwerden neuer Medikamente und Medikamentenklassen hat sich die antiretrovirale Therapie nicht nur in ihrer Wirksamkeit, sondern vor allem in ihrer Verträglichkeit und Einnahme weiter verbessert. Auf dem Hintergrund neuer Einsichten über die Pathogenität einer unkontrollierten HIVInfektion auch bei hohen CD4-Zellzahlen hat sich der empfohlene Zeitpunkt für den Behandlungsbeginn in eine frühere Phase der HIV-Infektion verlegt.
Aufgrund der deutlich besseren Verträglichkeit sowie reduzierten Tablettenlast werden in den neuen Leitlinien lediglich die Fixdosiskombinationen Tenofovir / Emtricitabin oder Abacavir / Lamivudin als bevorzugte NRTI-Kombinationspartner empfohlen. Mit der Zulassung von Atazanavir/r für therapienaive Patienten sowie erweiterten Daten zu Saquinavir/r stehen nun weitere Proteasehemmer zur Verfügung, um eine individuelle
Therapie ausgerichtet an den Bedürfnissen eines jeden einzelnen Patienten zu gestalten.

Autoren

Dr. med. Martin Vogel
Prof. Dr. med. Jürgen K. Rockstroh*
Medizinische Klinik und Poliklinik I
Universitätsklinikum Bonn
Korrespondenz an:
Prof. Dr. med. Jürgen K. Rockstroh
Medizinische Klinik und Poliklinik I
Sigmund-Freud-Straße 25
53127 Bonn
juergen.rockstroh@ukb.uni-bonn.de
Tel.: 0228 - 287 - 165 58
Fax: 0228 - 287 - 150 34

 

Literaturhinweise
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Mit freundlicher Genehmigung: RETROVIRUS, Bulletin 3/2008 des Virologischen Institutes am Universitätsklinikum Erlangen

 

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